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Promotionsprojekt Dr. Annemarie Matthies

Neuaushandlungen arbeitsweltlicher Ordnungen im Medium Literatur

 

Seit einigen Jahren wird dem Wissen fiktionaler Literatur an der Schnittstelle von Soziologie, Kultur- und Literaturwissenschaften einige Aufmerksamkeit zuteil. Dabei wird Literatur einerseits nicht unter dezidierter Absehung von Entstehungskontext und gesellschaftlichem Bezug, andererseits aber auch nicht als sozialgeschichtliche Dokumentenquelle begriffen. Stattdessen gilt fiktionale Literatur als Medium, welches – ästhetisch transformiert und erzählerisch transportiert – auf  außerliterarisches Wissen verweist und damit selbst ein Wissen über gesellschaftliche Sachverhalte vermittelt.

Vor diesem theoretischen Hintergrund stellen sich Fragen, die vor allem von soziologischem Interesse sind: Was weiß die Gegenwartsliteratur über gesellschaftliche Wirklichkeit? Welche Gegenstände erscheinen ihr relevant? Auf welche Weise vermittelt sie ihr Wissen? Und zu welchem Befund gelangt sie über die Gegenwartsgesellschaft?

Aus zweierlei Gründen geht die Dissertation diesen Fragen anhand des Gegenstands Arbeit nach. Zum einen erfährt die Arbeitswelt seit den 1990er Jahren eine grundlegende und gesamtgesellschaftlich wirkende Transformation, deren Folgen auch in der Soziologie noch nicht vollständig erfasst sind. Zum anderen erweist sich die Arbeitswelt als gesellschaftliche Größe, welche für die fiktionale Literatur zwischen Systemumbruch und aktueller Finanzmarkt- und Staatsschuldenkrise offenkundig Relevanz besitzt: Zahlreiche Romane verhandeln nahezu sämtliche Sphären und Figuren der gegenwärtigen Arbeitswelt – etwa Unternehmer, akademische Freiberufler, Angestellte, unbezahlte Praktikanten und Arbeitslose – und gelangen über ihre erzählerischen Wirklichkeitsentwürfe zu Befunden, die sich keinem Diskurs und keiner wissenschaftlichen Perspektive eindeutig zuordnen lassen, gleichwohl aber ein Wissen über Arbeit in der Gegenwart vermitteln. Dieses Wissen erweist sich inhaltlich sowie formalästhetisch als überaus aufschlussreich für ein Erkenntnisinteresse darüber, welche außerwissenschaftlichen Interpretationen von Arbeit und Arbeitswelt gegenwärtig existieren und in welchem Verhältnis diese zu anderen Deutungen des Gegenstands stehen.

 

Aktuelle Publikationen

 

 

  • Narrative der Ökonomiekritik in transnationalen Protestbewegungen und deutschsprachigen Gegenwartsromanen, in: Iuditha Balint/Hannah Dingeldein/Kathrin Lämmle (Hg.): Protest, Empörung, Widerstand. Zur Analyse von Auflehnungsbewegungen. Konstanz 2014, S. 113-128.
  • Defizitmeldungen, Desillusionierungen & Dekonstruktionen. Der kritische Blick auf die Arbeitswelt in der Gegenwartsliteratur, in: Susanna Brogi/Carolin Freier/Ulf Freier-Otten/Katja Hartosch (Hg.): Repräsentationen von Arbeit. Transdisziplinäre Analysen und künstlerische Produktionen. Bielefeld 2014, S. 331-346.
  • Einbindungen und Selbstpositionierungen. Bewältigungsstrategien im Kontext transnationaler Arbeitsmigration, in: Cédric Duchêne-Lacroix (Hg.): Ici et là. Ressources et vulnérabilités de la vie multilocale / Hier und dort. Ressourcen und Verwundbarkeiten in der multilokalen Lebenswelt. Itinera, 2013, Heft 34, S. 215–227.
  • Der Arbeitsplatz als Kampfzone - Annette Pehnts Roman Mobbing im Kontext der Gegenwartsliteratur der Arbeitswelt, in: Friedhelm Marx (Hg.): Inseln des Eigensinns. Beiträge zum Werk Annette Pehnts. Reihe: Poiesis. Standpunkte zur Gegenwartsliteratur. Band 9, Göttingen 2013, S. 77–96.
  • Literarische Welten der Ökonomisierung. Gouvernementale Schreibweisen im Gegenwartsroman (gem. mit Alexander Preisinger), in: Torsten Erdbrügger/Ilse Nagelschmidt/Inga Probst (Hg.): Omnia vincit labor? Narrative der Arbeit – Arbeitskulturen in medialer Reflexion. Leipzig 2013, S. 137–150.

 

 

Kontakt: annemarie-matthies@web.de