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Lehrveranstaltung im Frühjahrsemester 2024 (Universität Basel)

 

Soziologische Theorien (Vorlesung an der Universität Basel)

Die Soziologie ist in besonderem Maße auf Theorien angewiesen, da sich ihr abstrakter Gegenstand, das „Soziale“ oder die „Gesellschaft“, nur mit Hilfe von Begriffen und Konzepten erfassen lässt. Als pluralistische Disziplin hat die Soziologie eine Vielzahl von konkurrierenden Theorien hervorgebracht. Die Vorlesung bietet einen Überblick über wichtige Positionen und Etappen der soziologischen Theorieentwicklung von Marx bis Latour.

 

Vergangene Lehrveranstaltungen

 

Bruno Latour und die geo-soziale Frage. Ein Lektürekurs für Terrestriker:innen und solche, die es werden wollen (Seminar am der Universität Basel)

Der Soziologe, Philosoph und „Liebhaber der Wissenschaften“ Bruno Latour feiert in diesem Jahr seinen 75. Geburtstag. Im Seminar lesen wir gemeinsam zentrale Texte Latours zur Kritik am Anthropozentrismus der Moderne sowie zur öko-sozialen Frage. Auf diese Weise erarbeiten wir uns gemeinsam die Konturen eines neuen Verständnisses des Sozialen und der „Erdverhaftung“ aller menschlichen Praktiken im Zeitalter des Anthropozäns. Dazu gehört freilich auch ein kritischer Blick auf den neuesten ,geo-sociological turn‘ in den Sozialwissenschaften und seine theoretischen Fallstricke

Grosse Transformationen: Von der Marktgesellschaft zum digitalen Kapitalismus (Seminar an der Universität Basel)

Karl Polanyis The Great Transformation. The Political and Economic Origins of Our Time von 1944 ist ein soziologischer Klassiker und gilt zudem als Meilenstein der neueren Wirtschaftssoziologie. Es untersucht den tiefgreifenden sozialen und ökonomischen Wandel des 19. und frühen 20. Jahrhunderts im Zuge der Herausbildung von Nationalstaaten und Marktwirtschaften. Im Seminar lesen und diskutieren wir zunächst Polanyis Buch, um es anschließend mit neueren Texten zu gegenwärtigen sozio-ökonomischen Transformationsprozessen in Richtung eines ,digitalen Kapitalismus‘ zu kontrastieren. Welcher Art sind die aktuellen Veränderungsprozesse, was unterscheidet sie von den vergangenen und welche Effekte haben sie auf Wirtschaft und Gesellschaft? – diese und ähnliche Fragen stehen im Zentrum des Seminars, das sich an Masterstudierende richtet.

Günther Anders: Mensch und Technik im Zeitalter der 4. industriellen Revolution (Seminar an der Universität Basel)

Günther Anders (1902–1992) ist einer der profiliertesten Denker seiner Zeit. Von Heidegger und Marx gleichermaßen inspiriert, der Kritischen Theorie nahestehend und zwischen Philosophie, Soziologie und Psychologie oszillierend, beschreibt er den Menschen als weltoffenes Wesen, das von seinen eigenen technologischen Geschöpfen sukzessive überholt, kontrolliert und ersetzt wird. Im Zentrum des Seminars für fortgeschrittene Studierende steht Anders’ frühe, an Plessner anknüpfende und auf Sartre vorausweisende Anthropologie sowie sein späteres technikphilosophisches, medien- und gesellschaftskritisches Hauptwerk Die Antiquiertheit des Menschen. Vor diesem Hintergrund liegt ein besonderer Fokus auf Fragen und Problemen der sogenannten Digitalisierung

Soziologische Theorien (Vorlesung an der Universität Basel)

Die Soziologie ist in besonderem Maße auf Theorien angewiesen, da sich ihr abstrakter Gegenstand, das „Soziale“ oder die „Gesellschaft“, nur mit Hilfe von Begriffen und Konzepten erfassen lässt. Als pluralistische Disziplin hat die Soziologie eine Vielzahl von konkurrierenden Theorien hervorgebracht. Die Vorlesung bietet einen Überblick über wichtige Positionen und Etappen der soziologischen Theorieentwicklung von Marx bis Latour.

Soziologische Theorien - Zugänge und Zusammenhänge (Seminarvorlesung)

Soziologische Theorie gibt es nur im Plural, denn Soziologie ist eine multiparadigmatische Wissenschaft. Wie kann man sich in diesem weitläufigen Gelände orientieren? Die Seminarvorlesung (bestehend aus kommentierten PowerPoint-Folien plus angeleiteter Lektüre, Foren, Podcasts und Videos) vermittelt im Durchgang durch klassische und neuere Positionen der Theoriebildung Zugänge zu und Umgangsweisen mit soziologischer Theorie und arbeitet grundlegende Denkmotive, Bezugnahmen und Zusammenhänge heraus.

Soziologische Theorien (Vorlesung an der Universität Basel)

Die Soziologie ist in besonderem Maße auf Theorien angewiesen, da sich ihr abstrakter Gegenstand, das „Soziale“ oder die „Gesellschaft“, nur mit Hilfe von Begriffen und Konzepten erfassen lässt. Als pluralistische Disziplin hat die Soziologie eine Vielzahl von konkurrierenden Theorien hervorgebracht. Die Vorlesung bietet einen Überblick über wichtige Positionen und Etappen der soziologischen Theorieentwicklung von Marx bis Latour.

Die Stellung des Menschen im Anthropozän: Human, posthuman, allzu human? (Blockseminar BA/MA)

(gem. mit Marie-Helen Hägele)

Seit ihrer umfassenden Neubestimmung in der Philosophischen Anthropologie der 1920er Jahre war die „Stellung des Menschen im Kosmos“ (Max Scheler) selten so prekär wie heute. In Diskussionen um das Anthropozän – einer neuen, durchgreifend menschlich-technologisch determinierten geologischen Epoche – wird die Stellung des Menschen unter den Vorzeichen ökologischer Katastrophenszenarien neu ausgehandelt.  Die Neubestimmung des Verhältnisses von Mensch, nicht-menschlichem Leben, Erde und Technik handelt sich zweifellos um eine, wenn nicht die Schlüsselfrage des 21. Jahrhunderts.
Dieser Frage wollen wir uns in drei Etappen nähern. Im ersten Teil des Seminars erschließen wir uns auszugsweise einschlägige ,klassische‘ anthropologische Texte, die unsere Auffassungen vom Menschen – etwa als Homo faber, Animal rationale oder zoon politikon – bis heute nachhaltig prägen, darunter Pico della Mirandolas Oratio de hoiminis dignitate (1496) oder Herders Abhandlung über den Ursprung der Sprache (1772). Auf dieser Wissensgrundlage wollen wir neuere Ansätze auf implizite Annahmen, blinde Flecken und überwunden geglaubte Traditionsrückstände hin kritisch befragen. In der zweiten Seminaretappe beschäftigen wir uns mit dem letzten großen Neubestimmungsversuch in der Geschichte anthropologischen Denkens, der Philosophischen Anthropologie Helmuth Plessners, Günther Anders’ und Arnold Gehlens, welche das Wesen des Menschen als essentiell unbestimmt, aber auch unstet, als weltoffen und gleichermaßen weltbedürftig definierten. Ihr negativ-anthropologischer Ansatz hat bis heute gültige Maßstäbe gesetzt. Daran anschließend widmen wir uns im dritten Teil des Seminars ausführlich aktuellen Positionen, die nicht mehr ,den Menschen‘ ins Zentrum stellen, sondern posthumanistische Figurationen von menschlichen und nicht-menschlichen Lebewesen. Vor dem Hintergrund der ersten beiden Seminaretappen versuchen wir den systematischen Gehalt ausgewählter materialistischer und feministischer Neuansätze herauszuarbeiten und fragen nach den Möglichkeiten und Grenzen dieser Ansätze, wie sie z.B. in Rosi Braidottis Posthumanismus (2014), Bruno Latours Das terrerstrische Manifest (2018) oder Haraways Unruhig Bleiben (2018) skizziert werden. Welche (un)ausgesprochenen positiven oder negativen Anthropologien schreiben sich im Posthumanismus fort? Welche Form der Kritik und welche konkreten Handlungsmöglichkeiten können die Neusituierungen des Menschen – im Anthropozän, Chthuluzän, Capitalozän – formulieren (und welche schließen sie aus)?

Die feinen Unterschiede. Pierre Bourdieu und die Kritik der gesellschaftlichen Urteilskraft (Lektüreseminar BA)

In seiner berühmten Studie La distinction, die im Deutschen den Untertitel Zur Kritik der gesellschaftlichen Urteilskraft trägt, zeigt Pierre Bourdieu, dass selbst etwas vermeintlich so Individuelles wie unser persönlicher Geschmack, also die Art uns zu kleiden und unsere Wohnung einzurichten oder unsere Vorliebe für zum Beispiel klassische Musik, Popkonzerte, schöngeistige Literatur oder Trashfilme, die Witze, über die wir lachen (oder eben nicht), und die Kunstausstellungen, Sportvereine, Multiplexkinos oder Theater, die wir aufsuchen (oder eben nicht)… – dass all dies von unserer sozialen Prägung abhängt. Ob wir also Helene Fischer oder Element of Crime zujubeln, für IKEA oder Eames schwärmen, haben wir nicht (allein) entschieden, unser Elternhaus, unser Herkunftsmilieu hat es uns gleichsam in die Wiege gelegt. So ist der Geschmack der Oberschicht laut Bourdieu distinguiert und luxuriös, Kleinbürgerinnen setzen auf Vielfalt und Bildung, einfache Arbeiter orientieren sich am Notwendigen. Derart tief reicht nach Bourdieu die Geschmacksbildung unseres Herkunftsmilieus, dass sie uns buchstäblich in Fleisch und Blut – in unseren Habitus – übergegangen ist.
Ziel des Lektüreseminars ist es, Bourdieus bahnbrechendeStudie gemeinsam zu lesen und 40 Jahre nach ihrer Erstveröffentlichung kritisch zu diskutieren.

Karl Marx (Kolloquium BA/MA)

(gem. m. PD Dr. Sebastian Schwenzfeuer, Philosophisches Seminar)

Im Kolloquium werden wir gemeinsam Texte aus dem Marx′schen Œuvre lesen, interpretieren und diskutieren, u.a. aus den Ökonomisch-philosophischen Manuskripten von 1844 und den Grundrissen der Kritik der politischen Ökonomie. Der Arbeitsplan wird gemeinsam mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern gestaltet.

‚Werkzeugkasten‘ Foucault: Genealogie (Seminar BA/MA)

Michel Foucault experimentierte in unterschiedlichen Werkphasen mit diversen methodischen Verfahren, ohne diese im strengen Sinn als solche auszuweisen und anzuwenden. Von ihm selbst stammt die generöse Empfehlung, seine eigenen Texte als Werkzeugkästen zu benutzen. Vor diesem Hintergrund zieht das Seminar neben Studien Martin Saars und Raymond Geuss’ zunächst verschiedene Arbeiten Foucaults heran, um gemeinsam eines seiner zentralen Werkzeuge zu rekonstruieren: die Genealogie. Genealogien erzählen die Geschichte des Wissens und der ,Wahrheit‘, der daraus folgenden Gewissheiten und Praktiken aus der Perspektive ihrer von Machtkämpfen ,verunreinigten‘ Ursprünge. Was universal und notwendig erscheint, entpuppt sich dabei als Effekt sozialer Kräfteverhältnisse. Im zweiten Teil des Seminars diskutieren wir beispielhafte Studien, darunter den historischen Bezugstext der genealogischen Methode Foucaults, Friedrich Nietzsches einflussreiche Abhandlung Zur Genealogie der Moral von 1887.

Urteilskraft. Genealogie eines Schlüsselbegriffs der Moderne (Vorlesung)

Urteilskraft prägt das ganze Leben, auf der epistemologischen Ebene, wo ein Urteil revidierbar ist, sowie pragmatisch, auf der Handlungsebene, wo Urteile oft endgültig bleiben. Urteilskraft, so der Brockhaus lapidar, ist „die Fähigkeit, ein U. zu bilden.“ Wer diese Fähigkeit vermissen lässt, ist Immanuel Kant zufolge unheilbar dumm. Mit anderen Worten: Er oder sie kann nicht (richtig) denken. Kurz, ohne Urteilskraft kein autonomes Subjekt.
In der Vorlesung wird dieser Schlüsselbegriff unseres modernen Selbstverständnisses nicht als Universalie betrachtet und philosophisch behandelt; erzählt wird im Anschluss an Friedrich Nietzsche und Michel Foucault seine Genealogie. Folgende Fragen stehen dabei im Zentrum: Welche Urteilskraftnarrative bilden sich im Rahmen unterschiedlicher geistes- und sozialgeschichtlicher Entwicklungsphasen der Moderne – von der Aufklärungszeit bis zur Gegenwart – aus? Anders gewendet: Was sind die gesellschaftlichen Konstruktionsbedingungen der Urteilskraft? Welche Funktion haben sie (für welches gesellschaftliche Problem sind sie eine Lösung)? Woher kommt der Bedarf nach Urteilskraft? Welche Machteffekte und Subjektivierungsressourcen sind mit ihrer Erfindung verbunden? Wem wird Urteilskraft zu- bzw. abgesprochen? Welches Geschlecht hat die Urteilskraft (nicht)?...

Leviathan - Kybernétes - Kádmos. Denkfiguren neuzeitlich-moderner Ordnungsbildung (Seminar MA)

Das mythische Ungeheuer Leviathan, der antike Fährmann (Kybernétes) und Kádmos, Stadtgründer Thebens, stehen sinnbildlich für drei grundlegende neuzeitlich-moderne Ordnungsmodelle: den Zentralstaat mit Gewaltmonopol, Autopoiesis und die Kunst der Selbstregierung sowie die Ordnung durch Gewalt und Terror. Dazu lesen wir im Seminar einschlägige Texte von Thomas Hobbes bis Giorgio Agamben und greifen auf verschiedene Disziplinen (Philosophie, Soziologie, Geschichte) aus. In drei Forschungsgruppen vertiefen die Teilnehmer/innen darüber hinaus jeweils einen der drei Aspekte anhand eines selbst gewählten empirischen Fallbeispiels eigenständig. Die Ergebnisse der kollaborativen Arbeit werden in einem Abschlussbericht dokumentiert und öffentlich präsentiert. Ziel des Seminars ist es, sich erstens mit Gedankenfiguren vertraut zu machen, die für die Soziologie, die politische Theorie und das Verständnis gegenwärtiger gesellschaftlicher Entwicklungen grundlegend sind und diese zweitens an einem konkreten historischen Fall durchzuspielen. Drittens legt das Seminar einen besonderen Fokus auf die in der soziologischen Theoriebildung unterbelichteten Aspekte des Anderen der Ordnung, auf die dunklen Seiten der Ordnungsbildung.

Kritik der Anthropologie - Anthropologie als Kritik (Seminar BA/MA)

Das Verhältnis von Soziologie und Anthropologie gilt traditionell als angespannt: Obwohl bedeutende Autoren wie Heinrich Popitz oder Günter Dux ihr als prima sociologia das Wort reden, steht Anthropologie bei Soziologinnen und Soziologen meist unter Essentialisierungsverdacht. Für die Wissenschaft von der Gesellschaft kann es ein invariantes Wesen des Menschen nicht geben. Doch könnte anthropologischen Ansätzen nicht gerade heute – im biotechnologischen bzw. biopolitischen Zeitalter – auch eine dezidiert gesellschaftskritische Funktion zufallen?
Das zweiwöchentlich im Blockmodus stattfindende Seminar will beide Aspekte – die soziologische Kritik der Anthropologie wie ihr kritisches Potenzial – ausleuchten und aufeinander beziehen; zugleich ist es als Schreibseminar konzipiert. Neben der inhaltlichen Diskussion führt daher jeder Block theoretisch und praktisch in eine literarische Gattung (Essay, Zeitungsartikel etc.) ein. Auf dieser Grundlage verfassen die Teilnehmer/innen bis zum nächsten Blocktermin jeweils zweiseitige Texte, die in der gemeinsamen Schreibwerkstatt besprochen und weiter bearbeitet werden.

Philosophisch-soziologische Diskurse der Moderne (Oberseminar)

Das Oberseminar, in dem die gemeinsame Lektüre theoretisch anspruchsvoller Fachliteratur im Zentrum steht, richtet sich an fortgeschrittene Studierende (aus allen Studiengängen) sowie Promovierende und Postdocs.
Thema im SoSe 2017: Person, Individuum, Subjekt(ivierung).

Grundzüge der Soziologie (Vorlesung)

„Soziologie ist das, was Leute, die sich Soziologen nennen, tun, wenn sie von sich sagen, dass sie Soziologie betreiben. Mehr nicht.“ – So hat der Soziologe Ralf Dahrendorf einmal die Frage beantwortet, was Soziologie sei. Aber was tun Soziologinnen und Soziologen eigentlich genau? Und wenn Soziologie eine Tätigkeit ist, was sind dann soziologische Theorien und wozu braucht man sie? Wo liegen die Ursprünge dieses vergleichsweise jungen akademischen Fachs, wo seine Grenzen – und warum sollte man es überhaupt studieren?
Die Vorlesung, die sich in erster Linie an Studienanfängerinnen und -anfänger richtet, bietet ausgehend von zentralen Schlüsselbegriffen und Konzepten einen ersten Zugang zu fachspe-zifischen Denkweisen und Theorien. Ihr Ziel ist die Einübung des ,soziologischen Blicks‘.

Logiken der Forschung. Wissenschaftstheorie für Sozialwissenschaftler/innen (Seminar MA)

Einem Bonmot Ralf Dahrendorfs zufolge ist Soziologie das, „was Leute, die sich Soziologen nennen, tun, wenn sie von sich sagen, dass sie Soziologie betreiben. Mehr nicht“ Doch offensichtlich tun sie dies auf unterschiedliche Art und Weise. Der Streit über die angemessene Methode zur Erforschung des Sozialen beschäftigt die Disziplin bis heute und reicht weit über die Wahl des ,richtigen‘ Interviewleitfadens oder Statistik-Tools hinaus. Vielmehr berührt er grundlegende Überzeugungen über die letzten Elemente und den Aufbau der sozialen Wirklichkeit, den Status sozialwissenschaftlicher (in Abgrenzung zu naturwissenschaftlichen) Tatsachen, über Reichweite und Grenzen soziologischer Theorien.
Das Seminar fragt im vergleichenden Durchgang durch zentrale wissenschaftstheoretische Positionen von Durkheim, Tarde und Weber über Fleck und Popper bis Foucault und Latour, wie das Soziale im Lauf der Fachgeschichte jeweils ontologisch konzipiert und welche Forschungslogik daraus abgeleitet wurde. Gibt es feste Regeln der soziologischen Methode und wenn ja, welche? Oder liegt die Stärke der Soziologie vielmehr in ihrem methodologischen Pluralismus? Können wir am Ende gar mit Blick auf den Anarcho-Methodologen Paul Feyerabend sagen: Soziologie ist das, was Leute, die sich Soziologen nennen, tun, wenn sie von sich sagen, dass sie Soziologie betreiben – ganz egal wie?!

Masse und Macht oder Von Adolphe Quetelet zu Adolf Eichmann. Zur Soziologie der Urteilskraft (II) (Seminar BA/MA)

Schon bald nach seiner Geburt sieht sich das vernunftbegabte Subjekt der Aufklärung einer zunehmenden Bedrohung ausgesetzt: Das neue Kollektivsubjekt der Masse scheint alles, was das animal rationale auszeichnet – Vernunft, Autonomie und Sittlichkeit –, in einen dunklen Abgrund aus Stimmungen, Urteilskraftlosigkeit, Verführbarkeit und Gewalt zu reißen. Im Zeitalter der Massen begegnet das Individuum seinen Gespenstern, dem statistischen Durchschnittsmenschen (homme moyen) und den ordinary men der nationalsozialistischen Todesbataillone, aber auch dem Proletariat, dessen Mission nicht weniger als die praktische Vollendung des uneingelösten Anspruchs der Aufklärung auf volle Emanzipation des Menschen ist.
Im Rückgang auf zwei miteinander verbundene Themenfelder – den Massediskurs des 19. bzw. 20. Jahrhunderts sowie die NS-Täterforschung – will das Seminar folgende Fragen klären: Wie wird die Masse als Heimsuchung und Antipode des Subjekts konzipiert, welche (ent-)subjektivierenden Eigenschaften werden ihr zu- bzw. abgesprochen? Welchen Rationalitätstypus bringt das Massenzeitalter hervor, welche anthropologischen und sozialphilosophischen Erzählungen generiert es und wo verstellen diese den Blick auf neuartige Subjektivierungsmuster? Last not least: Was hat das alles mit der Urteilskraft zu tun, ohne die sich das neuzeitlich-moderne Subjekt gar nicht denken ließe?!

Philosophisch-soziologische Diskurse der Moderne (Oberseminar)

Das Oberseminar, in dem die gemeinsame Lektüre theoretisch anspruchsvoller Fachliteratur im Zentrum steht, richtet sich an fortgeschrittene Studierende (aus allen Studiengängen) sowie Promovierende und Postdocs.
Thema im WiSe 2016/17: Theorien der Gemeinschaft (Nancy, Blanchot, Esposito u.a.).

Ausnahmezustand - Theorie, Geschichte, Kritik (Seminar BA/MA)

Unmittelbar nach den Terroranschlägen vom 13. November 2015 in Paris verhängte der französische Staatspräsident François Hollande für über drei Monate den Ausnahmezustand. Polizei und Staatsanwaltschaft sollen künftig mit neuen, weitreichenden Befugnissen (Notstandsklausel zum Schusswaffengebrauch, Hausarrest ohne richterliche Überprüfung) ausgestattet werden. Gestritten wird jenseits des Rheins über den Vorschlag, als Terroristen verurteilte Franzosen mit doppelter Staatsangehörigkeit demonstrativ auszubürgern - ein Akt, der gegen Artikel 15 der UN-Menschenrechtskonvention verstößt.
Aus gegebenem Anlass setzt sich das Seminar für Fortgeschrittene unter Rekurs auf Carl Schmitt, Walter Benjamin, Hannah Arendt, Jacques Derrida und Giorgio Agamben sowohl mit der Theorie als auch konkreten historischen Formen des Ausnahmezustands - im Nationalsozialismus oder in Guantanamo und angesichts der gegenwärtigen Flüchtlingskrise - auseinander. Im Zentrum stehen dabei grundlegende philosophische, soziologische, staats- und politiktheoretische Fragen, die den prekären Zusammenhang von Recht, Gerechtigkeit, Macht und Gewalt ausleuchten.

Vom Salon zur bürgerlichen Öffentlichkeit. Zur Soziologie der Urteilskraft (I) (Seminar  BA/MA)

‚Öffentlichkeit‘ ist ein Grundbegriff der politischen Theorie und Soziologie. Immer wieder wird über seine Bedeutung, über das Verhältnis von ‚öffentlicher‘ und ‚privater‘ Sphäre gestritten. Wie aber kommt es überhaupt zur Entstehung von Öffentlichkeit(en) - und welche Rolle spielt dabei ein Vermögen, ohne das es gar kein modernes, bürgerliches Subjekt gäbe: die Urteilskraft (d.h. die Fähigkeit, sich ein eigenes Urteil zu bilden)?
Das Seminar verfolgt die Genese der Öffentlichkeit vom französischen Königshof über den Salon des 19. Jahrhunderts bis in die Gegenwart. Das aufklärerische Konzept der
‚Geselligkeitsgesellschaft‘ (Kant, Schleiermacher, Simmel), der Zusammenhang von Gesellschaftsstruktur und Semantik (Luhmann) sowie Jürgen Habermas’ bis heute einschlägige Habilitationsschrift Strukturwandel der Öffentlichkeit bilden dabei die wesentlichen Etappen der gemeinsamen Arbeit.

Hannah Arendt: Anthropologie und Gesellschaftskritik (Seminar BA/MA)

Lange Zeit als extravagant und konservativ geschmäht, hat sich Hannah Arendt (1906-1975) nach dem Ende der großen Erzählungen inzwischen als feste Referenzgröße gegenwärtiger Theorieproduktion etabliert. Ihr schwer klassifizierbares Denken „ohne Geländer“, ihre Dekonstruktion klassischer Begriffe und Konzepte der philosophischen Tradition, ihre Kritik der modernen Konsumgesellschaft und ihr einerseits räterepublikanisches, andererseits aristokratisches Politikverständnis haben so unterschiedliche Autorinnen und Autoren wie Girogio Agamben, Seyla Benhabib, Jürgen Habermas, Julia Kristeva und Richard Sennett inspiriert. Das Seminar fokussiert auf Arendts Beitrag zur philosophischen Anthropologie und Sozialtheorie sowie auf ihre Gesellschaftskritik. Im Zentrum steht die Lektüre ihres Buches Vita activa oder Vom tätigen Leben, der Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft sowie Arendts Auseinandersetzung mit der „Banalität des Bösen“ am Fall Adolf Eichmann.

Schlüsselbegriffe der Soziologie: Gemeinschaft und Gesellschaft (Seminar BA)

Am Beginn der Soziologie stehen zwei Schlüsselbegriffe, die meist in Opposition zueinander gedacht werden: ‚Gemeinschaft‘ und ‚Gesellschaft‘. Während ersterer soziale Kohäsion und Wärme, Stabilität und Geborgenheit suggeriert, wird letzterer oft als Synonym für eine ‚kalte‘ Moderne gebraucht, die durch industrielle Revolutionen, Differenzierungs- und Individualisierungsprozesse „alles Stehende und Ständische verdampft“ (Marx/Engels). Das Seminar folgt beiden Konzepten menschlicher Sozialität von der höfischen Gesellschaft über die Tischgesellschaft der Aufklärung ins industrielle Manchester von Friedrich Engels, von Ferdinand Tönnies, der das Begriffspaar seiner eigenen Soziologie zugrunde legt, über Émile Durkheim und Niklas Luhmann bis zur Kritik der Gemeinschaft bei Helmuth Plessner und Zygmunt Bauman sowie aktuelleren kommunitaristischen Ansätzen, Gemeinschaft – nach dem Desaster der nationalsozialistischen Volksgemeinschaftsutopie – neu zu denken.

Soziologie des Nationalsozialismus (Blockseminar BA/MA)

Als Michaela Christ in einem Artikel in der DGS-Zeitschrift Soziologie 2011 beklagte, die Soziologie habe sich mit dem Nationalsozialismus bis heute nur am Rande und zudem in theoretisch völlig unzureichender Weise beschäftigt, löste ihre Intervention eine bisweilen scharf geführte öffentliche Kontroverse aus, die noch immer andauert. Das Seminar nimmt diese Debatte zum Ausgangspunkt einer soziologischen wie auch soziologiekritischen Auseinandersetzung mit einem Phänomen, das oft als grundsätzlich nicht verstehbar aus dem Kreis soziologisch relevanter Gegenstände ausgeschlossen oder im Sinne eines radikalen Traditionsbruchs gedeutet und damit in seiner Brisanz (nicht zuletzt für die soziologische Theoriebildung) entschärft wurde. Demgegenüber stehen Positionen, die den Nationalsozialismus als Fortsetzung der Moderne mit anderen Mitteln begreifen, jedoch auf diese Weise nicht selten den Blick für seine Eigenart verlieren - eine Eigenart, die sich mit den gängigen Theoriewerkzeugen nicht reibungslos aufschließen lässt.

Mehr als drei: Gemeinschaft, Gesellschaft, Masse. Eine Einführung in die Sozialtheorie der großen Zahl (Seminar BA)

Soziologie ist die Wissenschaft vom Sozialen. Doch was ist das: Sozialität? Wie entstehen soziale Situationen, welche Grundmechanismen lassen sich beobachten? Und wo verlaufen die Grenzen zum Nicht-Sozialen? Solche und ähnliche Fragen sind Gegenstand der Sozialtheorie. Da die Soziologie eine nicht-paradigmatische Wissenschaftsdisziplin ist, also über kein einheitliches und verbindliches Erklärungsmodell verfügt, gibt es eine Reihe sehr unterschiedlicher Antworten. In klassischen Sozialtheorien beginnt Sozialität häufig mit einer dyadischen Konstellation. In der neueren Debatte wurde darüber hinaus die zentrale Bedeutung der dritten Person (Tertius) für die Ausbildung sozialer Ordnung betont. Andererseits hat es die Soziologie mit der Entstehung und Dynamik sozialer Vielheiten zu tun, das heißt mit Gemeinschaften, Gruppen und Massen, die sich gerade nicht auf ein Vielfaches dyadischer oder triadischer Konstellationen reduzieren lassen. Schon der soziologische Grundbegriff "Gesellschaft" weckt Assoziationen, die sozialtheoretische Grundverhältnisse überschreiten. Das Seminar ist als Einführung in die Sozialtheorie der großen Zahl angelegt und fokussiert auf klassische Positionen zum Begriff der Masse und zum Problem der Massengesellschaft.

Klassikerparcours: Günther Anders - Von der Weltoffenheit des Menschen zum Weltzustand Technik (Lektüreseminar MA)

Günther Anders, geb. Stern (1902-1992), gehört zu den profiliertesten Kritikern der Moderne. Sein thematisches Spektrum reicht von Anthropologie und Kunsttheorie bis hin zu Technikkritik und Gesellschaftstheorie. Seine Thesen – über die essentielle Unbestimmtheit und Weltoffenheit des menschlichen Wesens, das „prometheische Gefälle“ zwischen dem, was Menschen herstellen und vorstellen können, die industrielle Leichenproduktion in Auschwitz, das Fernsehen oder die Atomtechnik – schlagen sich bei so unterschiedlichen Denkern wie Arnold Gehlen, Jean-Paul Sartre, Jean Baudrillard und Ulrich Beck nieder. Große Schnittflächen gibt es auch zu Marx und zur Kritischen Theorie. Im Seminar wollen wir die zentralen Theoreme des Andersschen Werkes herausarbeiten und diese anhand aktueller Phänomene und Ereignisse nach ihrer Brauchbarkeit für die Soziologie befragen. Ein Schwerpunkt des Seminars liegt auf Andersʼ zum größten Teil noch unveröffentlichten anthropologischen Frühschriften und deren Kontext (Max Scheler, Helmuth Plessner). Das Seminar wendet sich daher ausdrücklich auch an Studierende im Masterstudiengang Interdisziplinäre Anthropologie.

Schlüsselbegriffe der Soziologie: Individuum (Seminar BA)

Ohne Individuen keine Gesellschaft – aber auch: ohne Gesellschaft keine Individuen. Zwischen diesen beiden theoretischen Polen beschäftigen wir uns im ersten Teil des Seminars zunächst mit den historischen Ursprüngen des modernen bürgerlichen Individuums und den grundlegenden Mechanismen seiner Vergesellschaftung, mit dem Verhältnis von Individuum und sozialem Zwang, Individuum und Masse, dem Geschlecht von Individualisierungsprozessen und der Kritik der Individualisierungstheorie. Der zweite Teil des Seminars nimmt exemplarisch unterschiedliche Typen von Individuen und Individualisierung in den Blick, darunter das gefährliche, das romantische, das flexible und das erschöpfte Selbst. Bei unserer Arbeit begegnen uns u.a. Immanuel Kant, Max Stirner, Karl Marx, Georg Simmel, Ulrich Beck, Elisabeth Beck-Gernsheim, Eva Illouz und ganz normale Männer, die zu Massenmördern werden.

Klassikerparcours: Karl Marx (Lektüreseminar BA)

Karl Marx gilt als „Gründervater“ der Soziologie, d. h. zahlreiche Motive, Themen und Probleme soziologischen und sozialphilosophischen Denkens sind in seinen Schriften grundgelegt. Das Seminar will im lektüreintensiven Durchgang durch die Marxsche Theorieentwicklung – von der Religionskritik und der Theorie der Entfremdung über die materialistische Theorie der Geschichte und der kommunistischen Revolution bis hin zur Funktionslogik des Kapitalismus – zentrale Stadien, Knotenpunkte und Umbrüche Marxschen Denkens rekonstruieren und schließlich die Frage beantworten, ob und wenn ja, inwiefern Karl Marx auch knapp 130 Jahre nach seinem Tod für soziologisches Denken noch immer bzw. wieder aktuell und anschlussfähig ist.

Schlüsselbegriffe der Soziologie: Arbeit (Seminar BA)

„Arbeit“ zählt zu den Schlüsselbegriffen der Soziologie. Im Seminar wollen wir uns dem Thema unter drei miteinander zusammenhängenden Gesichtspunkten – Arbeitsbegriff, Arbeitswelt(en), Zukunft der Arbeit – nähern. Zunächst diskutieren wir die Frage: was heißt, was ist eigentlich Arbeit? Im Anschluss daran befassen wir uns mit Arbeit als Struktur und Kultur von Gesellschaft, das heißt mit der Frage, wie Arbeit (und Arbeitslosigkeit) Gesellschaften beeinflusst und prägt. Schließlich widmen wir uns der Frage der Zukunft der Arbeit in einer paradoxen Arbeitswelt, in der alle immer mehr arbeiten, während manche das Ende der Arbeit ausrufen. Bei unserer Arbeit im Seminar begegnen uns u.a. Karl Marx, Richard Sennett, Ulrich Beck, Ronald McDonald, die Arbeitslosen von Marienthal, Arbeitslager, die digitale Bohème und das bedingungslose Grundeinkommen.

Geht uns die Arbeit aus? Soziologisch-ökonomische Erörterung einer Schlüsselfrage der Moderne (Hauptseminar)

(gem. mit Dr. Gert Keil, Berlin)

Nicht nur Soziologen wie Ulrich Beck empfehlen der Politik, sich vom Modell der Vollbeschäftigungsgesellschaft zu lösen. Da werde die Energie auf etwas vergeudet, das doch längst geklärt sei: durch den technischen Fortschritt werden mehr Arbeitsplätze abgebaut, als durch (ökologische vertretbares) Wachstum kompensiert werden kann. Diese Meinung ist unter Soziologen und Philosophen weit verbreitet. Ökonomen halten sie für eine bloße Ideologie. Für sie ist die steigende Arbeitslosigkeit immer das Ergebnis falscher politischer oder tariflicher Weichenstellungen. Das Seminar versucht im Durchgang durch einschlägige Positionen aus Philosophie, Soziologie und Ökonomie die beiden unterschiedlichen Perspektiven zu vermitteln.