Sie sind hier: Startseite Ulrich Bröckling Promotionsprojekte Promotionsprojekt Lukas Potsch

Promotionsprojekt Lukas Potsch

 

Vom Umgang mit dem "Tod" des Staates. Eine Ideengeschichte des Bürgerkriegs im politischen Denken der Moderne 

 

Im Zuge rauer werdender politischer Auseinandersetzungen in den westlichen Demokratien taucht inzwischen häufiger der Bürgerkriegsbegriff zur Beschreibung (vermeintlicher) gesellschaftlicher Polarisierung auf. Dies überrascht. Leben die Menschen in diesen Ländern doch recht friedlich miteinander. Der Bürgerkrieg aber steht wie kaum ein anderer Konflikt für Grausamkeit. Er erscheint geradezu als „sinnlose[s] In-sich-selbst-Kreisen“ (R. Koselleck) der Gewalt. Ausgehend von diesem Befund will sich die Arbeit mit der Rolle des Bürgerkriegs im modernen politischen Denken beschäftigen. Dies geschieht in drei Schritten.

Zunächst wird im Rückgriff auf begriffsgeschichtliche Forschungen gezeigt, dass der moderne Bürgerkriegsbegriff als negatives Komplement zum souveränen Territorialstaat geprägt wurde. Bei Theoretikern wie Jean Bodin, Hugo Grotius oder Thomas Hobbes wurde der Bürgerkrieg vor dem Hintergrund der Konfessionskriege im 16. und 17. Jahrhundert zum Gegenbegriff des Staates, der das neue zentrale Ordnungsparadigma darstellen sollte. Der so gewonnene Bürgerkriegsbegriff wird weiter geschärft, indem er mit anderen historischen Formen des inneren Krieges (stasis, bellum civile) und anderen Formen moderner politischer Gewalt (Staatsstreich, Sezessionskrieg, Partisanenkrieg) kontrastiert wird. 

In einem zweiten Schritt werden theoretische Modelle herausgearbeitet, die sich durch unterschiedliche Bewertungen und Strategien im Umgang mit dem Bürgerkrieg auszeichnen. Aus der Perspektive einer „Ideengeschichte mit Intellektuellen“ (A. Gallus) soll an Niccolo Machiavelli, Thomas Hobbes, Carl Schmitt sowie einem Exkurs zu einigen Revolutionären gezeigt werden, dass die politische Ideengeschichte ganz unterschiedliche Antworten auf den durch den Bürgerkrieg drohenden "Tod" (Hobbes) des Staates fand.

In einem letzten Schritt sollen diese Antworten mit Hilfe der Modernetheorien Reinhart Kosellecks und Heinz Dieter Kittsteiners systematisiert werden. Es wird sich zeigen, dass der Bürgerkrieg gerade dann eine herausgehobene Bedeutung für das politische Denken spielt, wenn progressive Fortschrittsvorstellungen noch keine Bedeutung spielten bzw. sie ihre Überzeugungskraft verloren haben. Andernfalls absorbiert der Begriff der Revolution den Bürgerkrieg.

Ausgehend von dem entwickelten Zusammenhang zwischen Bürgerkrieg, Staat, Revolution und der Rolle des Geschichtsdenkens, lassen sich abschließend Überlegungen anstellen, welche Rückschlüsse die gegenwärtigen immer wieder befürchteten „Aussichten auf den Bürgerkrieg“ (H. M. Enzensberger) auf die Gegenwart zulassen.

 

Publikationen

 

Zeitschriftenaufsätze

Bürgerkrieg als Revolution. Inszenierung des Politischen als Bürgerkrieg in Ernst Jüngers Publizistik in der Weimarer Republik, in: Schweizerisches Jahrbuch für Wirtschafts- und Sozialgeschichte, i. E.

Die Moderne als Weltbürgerkrieg. Zeit- und Geschichtskritik bei Roman Schnur, Reinhart Koselleck, Hanno Kesting und Nicolaus Sombart, in: Leviathan – Berliner Zeitschrift für Sozialwissenschaft 2/2019, S. 244-265.

Beiträge in Sammelbänden

Prognostik statt Dezision. Zur Anverwandlung Schmittschen Denkens in Reinhart Kosellecks Kritik und Krise, in: Andreas Höntsch, Patrick Wöhrle (Hg.) "Provisorische Ewigkeit". Staatsverständnisse der frühen Bundesrepublik. Baden-Baden: Nomos 2022, S. 21-41.

Rezensionen 

Brendan Simms: Die Rückkehr des Großraums?, in: Behemoth. A Journal on Civilisation, i. E.

Martin Tielke (Hg.): Carl Schmitt – Roman Schnur. Briefwechsel 1951 bis 1983, in: Zeitschrift für Religions- und Geistesgeschichte, 76(2) 2024, S. 150-151.

Der Intellektuelle als Scharnier. Rezension zu Intellektuelle in ihrer Zeit. Geistesarbeiter und Geistesgeschichte im 20. Jahrhundert von Alexander Gallus, in: Soziopolis, URL: https://www.soziopolis.de/der-intellektuelle-als-scharnier.html (online veröffentlicht am: 29.11.2022).

Staat zerstören, um Staat zu schaffen. Rezension zu: Über den Bürgerkrieg von Michael Riekenberg, in: Soziopolis, URL: https://www.soziopolis.de/staat-zerstoeren-um-staat-zu-schaffen.html (online veröffentlicht am: 02.09.2021).

Rezension zu: Sebastian Huhnholz: Von Carl Schmitt zu Hannah Arendt? Heidelberger Entstehungsspuren und bundesrepublikanische Liberalisierungsschichten von Reinhart Kosellecks Kritik und Krise, in: Behemoth. A Journal on Civilisation, 12(2), S. 69-71.

Rezension zu: Jan-Werner Müller: Was ist Populismus? Ein Essay, in: soziologieblog, URL: https://soziologieblog.hypotheses.org/10166 (online veröffentlicht am: 10.02.2017). 

Zeitungsartikel und Tagungsberichte

Es könnte auch anders sein, ist es aber nicht. Die Radikale Demokratietheorie schweigt auffällig zu den kriegerischen Konflikten der Gegenwart, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 07.12.2022, Natur und Wissenschaft, S. 4.

Was um Himmels willen zirkuliert denn hier? In England bereitete die Erfahrung des beschleunigten Verfassungskreislaufs dem modernen Revolutionsbegriff den Weg, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 10.08.2022, Natur und Wissenschaft S. 3 [mit Sebastian Huhnholz].

Tagungsbericht: Arbeitstagung des Freiburger Arbeitskreises Literatur und Psychoanalyse zum Thema Angst, in: soziologieblog, URL: https://soziologieblog.hypotheses.org/11039 (online veröffentlicht am: 19.02.2018). 

Tagungsbericht: Aufklärungs-Kritik und Aufklärungs-Mythen. Horkheimer und Adorno in philosophiehistorischer Perspektive, in: H/Soz/Kult, URL: https://www.hsozkult.de/conferencereport/id/tagungsberichte-6597 (online veröffentlicht am: 28.06.2016).

Vorträge

Vom Umgang mit dem „Tod“ des Staates. Eine Ideengeschichte des Bürgerkrieges im politischen Denken der Moderne (Vortrag im Kolloquium von Prof. Marcus Llanque, Universität Augsburg, 27.06.2023).

Das Andere der Staatsordnung. Bürgerkrieg bei Ernst Jünger und Carl Schmitt (Vortrag im Kolloquium von Prof. Alexander Gallus, TU Chemnitz, 02.05.2023).

Der beste Vater des Krieges - Bürgerkrieg als Inszenierungsform des Politischen bei Ernst Jünger. Intellektuellensoziologische und ideengeschichtliche Überlegungen (auf der Jahrestagung der SGWSG "Rückkehr des Politischen: Inszenierung, Legitimierung und Herausforderung von Macht in der Geschichte", 09.09.2022, Fribourg).

Krise als Weltbürgerkrieg. Eine Krisentheorie in Anschluss an Carl Schmitt (auf der studentischen Konferenz „Kritiken der Krise“, 29.06-30.06.2018, Frankfurt a.M.). 

 

Lehre

 

SoSe 2024: Elemente, Energie, Erderwärmung  Soziologien des Mensch-Natur-Verhältnisses (B.A./M.A.)

SoSe 2024: Einführung in die historische Soziologie (B.A.)

WiSe 2023/24: Hannah Arendt über Macht, Gewalt und Krieg (B.A., Blockseminar)

WiSe 2023/24: Theorien der (kriegerischen) Gewalt (B.A., Blockseminar)

WiSe 2022/23: Soziologie des Geistes – ideengeschichtliche Theorien, Methoden und Anwendungen (B.A., Blockseminar)

SoSe 2022: "Politik" und "Politisches" aus soziologischer Perspektive (B.A., Blockseminar)

 

Kurzvita

 

Seit 04/2024 Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Kultursoziologie der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg (Vertretung)

Seit 2020 Doktorand am Institut für Soziologie der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg (Förderung durch ein Promotionsstipendium der Studienstiftung des deutschen Volkes seit 10/2020)

10/2020-03/2022 Wissenschaftliche Hilfskraft am Deutschen Seminar an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg (Mitarbeit im Editionsprojekt "Friedrich Gundolfs Literaturgeschichte")

10/2015-10/2018 Studium der Soziologie an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, M.A.

08/2017-03/2021 Wissenschaftliche Hilfskraft am Lehrstuhl für Kultursoziologie, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg

Seit 11/2016 Redaktionsmitglied der Freiburger Zeitschrift für GeschlechterStudien (fzg)

10/2015-09/2020 Studium der Deutschen Sprach- und Literaturwissenschaft/Philosophie an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, B.A. (Zweitstudium)

04/2014-05/2015 Zertifikat Philosophie, Universität Passau

10/2011-03/2015 Studium der Staatswissenschaften an den Universitäten Passau und Wien, B.A.

 

Kontakt: