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WiSe 2021/22: Soziale Welten und Arenen: Von der Grounded Theory zur Situationsanalyse

Die Social-Worlds-Theory stellt neben der Actor-Network-Theory (ANT) eine der zwei großen Theorieschulen der Science & Technology Studies dar. Während die ANT dafür bekannt ist, sich für gesellschaftliche Makrostrukturen und die großen Fragen der Soziologie zu interessieren, steht die Social-Worlds-Theory seit jeher für ein Interesse am gesellschaftlichen Pluralismus. Es gibt, so ihr Ausgangspunkt, diverse Soziale Welten, die je über eigene Sichtweisen, Glaubenssätze, Ressourcen und Karrierewege verfügen. Gleichzeitig überschneiden sich die Anliegen und Interessensschwerpunkte Sozialer Welten, was zur Herausbildung von Arenen führt, in denen Unterschiede sichtbar, Konflikte ausagiert und Kooperationen verhandelt werden.


In dem Seminar wollen wir uns zunächst den Ursprüngen der Theorie widmen. Diese finden sich zum einen bei George Herbert Mead und bei Howard Becker, einem Vertreter der Chicago School. Beide setzen konzeptionell an der Frage an, in welcher Weise Soziale Welten und ihre Akteure verbunden sind und denken dies in Form eines „commitments“. Der erste Seminarteil schließt mit einer mdl. Prüfung zum Themenkomplex social worlds, arenas, commitment.
In der zweiten Phase des Seminars befassen wir uns mit ausgewählten Studien und einigen in ihrem Zusammenhang entwickelten Werkzeugen. Die Social-Worlds-Theory hat im Laufe ihrer Entwicklung eine lange Reihe von Begriffen und Konzepten hervorgebracht, die bis heute Anwendung finden (für einen Überblick vgl. Clarke/Star 2008). Gemein ist ihnen allen, dass sie die Ausdifferenzierung von und Interaktionsformen zwischen Sozialen Welten erklären helfen wollen. Unser Fokus wird aller Voraussicht auf „implicated actors“, “boundary objects”, “boundary infrastructures”, “bandwagons”, “staged intersections” und “controversies” liegen. Der zweite Seminarteil schließt mit der Abgabe einer schriftlichen Kurzarbeit zu einem dieser Begriffe/Konzepte am Ende der Weihnachtspause.


Im dritten Teil des Seminars setzen wir uns abschließend mit der qualitativen Forschungsmethode auseinander, die im engen Austausch mit der Social-Worlds-Theory entwickelt wurde. Zwei Sitzungen werden dabei der Grounded Theory in der Tradition von Anselm Strauss gelten, zwei weitere Sitzungen ihrer jüngsten Weiterführung zur Situationsanalyse von Adele E. Clarke. Gegenstand eines zweiten zu verfassenden Kurzaufsatzes kann es sein, eigene Überlegungen zur Passung von Theorie und Methode vorzustellen.

 

WiSe 2020/21:Menschensorten. Humanklassifizierung in Gesellschaft und Wissenschaft

(gemeinsam mit Hannah Schönberger)

Mit etwas Fantasie ließen sich Menschen in die absonderlichsten Gruppen zusammenfassen und danach die Gesellschaft organisieren. Theoretisch könnte man Menschen etwa nach Anzahl und Größe ihrer Muttermale am linken Unterarm sortieren und davon abhängig machen, wer wen heiraten darf, wer was essen darf oder wer welche Schulform besuchen kann. Ein nur auf den ersten Blick seltsamer Gedanke. Nehmen wir nicht Muttermale am Unterarm, sondern die unterschiedliche Gesamtpigmentierung eines Menschen, dann ist das Beispiel viel näher an der Realität als vielleicht zunächst gedacht. Die Unterscheidung von Menschen in Farbkategorien war oder ist in der ein oder anderen Form bis heute üblich – ebenso wie an diese Differenzierungen anschließende Praktiken, Normen und Deutungsangebote.

In dem Seminar fragen wir nach der soziologischen Bedeutung von Klassifikationen. Uns interessiert dabei insbesondere, ob sich die gesellschaftliche Sortierung von Menschen in verschiedene Gruppen von wissenschaftlichen Humanklassifikationen unterscheidet. Um dies klären zu können, nähern wir uns der Klassifikation von Menschen in drei Themenblöcken: (1) Gesellschaftstheorie, (2) Macht und (3) Wissenschaft. Im ersten Block steigen wir mit einem viel diskutierten Aufsatz von Marcel Mauss und Émile Durkheim zu „einigen primitiven Formen von Klassifikationen“ ein. Die beiden Autoren versuchen dort auf Basis ethnologischer Berichte über das Leben und die Weltsicht von Urvölkern universell gültige soziologische Einsichten herauszuarbeiten. Dabei gehen sie davon aus, dass Klassifikation „die eigentliche Wirkungsweise des Sozialen, seine ordnende und bestimmende Kraft“ ist [1]. Daran schließt die Frage an, wie Gesellschafts- und Naturordnung, die Ordnung der Menschen und die Ordnung der Dinge, miteinander zusammenhängen. Ihre Antwort werden wir gemeinsam erarbeiten. Im Anschluss werden wir dann untersuchen, wie verschiedene Soziolog:innen an diesen Text und die darin vorgelegte Theoriekonzeption angeschlossen (z.B. Mary Douglas) oder diese verworfen haben (z.B. Claude Lévi-Strauss).

Im zweiten Themenblock „Macht“ lesen wir eine jüngst publizierten Vorlesung Pierre Bourdieus, die den Namen „Classification Struggles“ trägt, und einen guten Einstieg in seine Feldtheorie liefert. Gesellschaftliche Kämpfe versteht Bourdieu hier weniger als Klassenkämpfe denn als Klassifikationskämpfe. Ihm geht es um die Macht der Klassifizierer und um die symbolische Macht von Klassifikationen. In seinen ersten Vorträgen – wir werden nicht alle lesen können – arbeitet Bourdieu entlang der Frage, wie Naturwissenschaften und Sozialwissenschaften klassifizieren, und wie sich dies von gesellschaftlichen Klassifikationen unterscheidet.

Die Frage, wie die Wissenschaft im Gegensatz zur Gesellschaft klassifiziert, leitet über zum dritten Themenblock des Seminars. Dort werden wir mit Bruno Latour zum einen die Eigenlogik wissenschaftlicher Theorien und Klassifikationen, zum anderen die „Koproduktion“ (Sheila Jasanoff) von Gesellschaft und Wissenschaft in den Blick nehmen. Am Beispiel von Kategorien aus a) der Physik und b) der Medizin wie „race“ und „Geschlecht“, die sowohl wissenschaftlich als auch gesellschaftlich Verwendung finden und zugleich umstritten und politisch umkämpft sind, werden wir in den letzten Sitzungen diskutieren, inwieweit die wissenschaftliche Kategorienbildung und -nutzung einerseits als ein isolierter Vorgang begriffen werden kann, andererseits immer schon Teil der Gesellschaft ist.

[1] Susanne Völker, Stephan Trinkaus (2014) Klassifikation (classement), in: Gerhard Fröhlich, Boike Rehbein (Hrsg.) Bourdieu-Handbuch. J.B. Metzler, Stuttgart.

 

WiSe 2018/19: Mehr als ‚nur ein bisschen krank‘ – interdisziplinäres Seminar zur medizinischen Primärversorgung vulnerabler gesellschaftlicher Gruppen

(gemeinsam mit Andrea zur Nieden, Petra Jung, Helene Pahlow)

Zum Thema „Mehr als ‚nur ein bisschen krank‘ – die Rolle der medizinischen Primärversorgung vulnerabler gesellschaftlicher Gruppen“ bieten wir zusammen mit Dr. Petra Jung und Dr. Helene Pahlow von der Allgemeinmedizin der Universitätsklinik Freiburg im kommenden Semester ein interdisziplinäres Seminar an. Gemeinsam mit weiteren Fachbereichen, wie beispielsweise Philosophie und Gesundheitspädagogik, ist es einerseits das Ziel, sich mit aktuellen sozio-politischen Fragestellungen in der primärmedizinischen Betreuung zu beschäftigen und Medizinstudierende dafür zu sensibilisieren. Für Studierende der Soziologie bietet das Seminar zusätzlich die Möglichkeit, Erfahrungen mit Ethnographie in Forschungsfeldern zu sammeln, die üblicherweise nicht leicht zugänglich sind. Der Fokus liegt auf der Gesundheitsversorgung gesellschaftlicher Personengruppen, die mit besonderen Risiken aus dem sozioökonomischen sowie kulturellen Bereich konfrontiert sind. Im interdisziplinären Austausch wollen wir gemeinsam Handlungsstrategien kennenlernen bzw. selber entwickeln. So werden beispielsweise anhand eines Planspiels und im Rahmen von Hospitationen bzw. Kurzethnographien oder Interviews in öffentlichen und karitativen Einrichtungen Themen wie Migration, soziale Ungleichheit, Integration und Inklusion erfahrbar gemacht.
Der interdisziplinäre Ansatz ermöglicht es den Teilnehmer_innen bisher unbekannte Perspektiven in die eigene Betrachtung mit einzubeziehen und sich in interprofessioneller Kooperation zu üben. Neben den gemeinsamen Sitzungen von 16-18 Uhr werden wir an einigen Terminen nur mit den Soziologiestudierenden von 14-16 Uhr Aspekte sowohl des inhaltlichen Themenbereichs (z.B. Migration und Gesundheit, Begriffsreflexion „vulnerable Gruppen“) als auch der Forschungsmethoden (Ethnographie, Interviews, Auswertung) vertiefen.

 

WiSe 2018/19: Lektürekurs: Bruno Latour (2014): Existenzweisen. Eine Anthropologie der Modernen

Mit „Existenzweisen“ schließt Bruno Latour an sein erstes Hauptwerk „Wir sind nie modern gewesen“ an. Während in diesem noch eine radikale Kritik an „den Modernen“ im Zentrum stand, geht er in seinem Anschlusswerk konstruktiver vor. Zwar wiederholt Latour auch hier seine bissige Polemik an der großen modernen Trennung von Natur und Kultur und begreift als eine ihrer katastrophalsten Folgen den ungebrochenen Klimawandel, er belässt es nun aber nicht dabei, diese Trennung in Frage zu stellen, indem er „Netzwerke“ und „Hybride“ nachzeichnet, die sie unterlaufen und seit jeher aufheben. In „Existenzweisen“ schlägt Latour einen Weg ein, der sich in seinen jüngeren Werken bereits angedeutet hatte. Untersucht werden nun die verschiedenen Bereiche, die in der modernen Gesellschaft als eigenständige Wertsphären auftreten. Neben Politik, Wissenschaft, Religion und Recht zählt Latour zu diesen u.a. auch Technik, Organisation, Netzwerk sowie Fiktion, Metamorphose und Gewohnheit. Schrittweise skizziert Latour die Eigenlogiken und Kreuzungen dieser modernen „Existenzweisen“. Neben einer engagierten Gesellschaftsdiagnose entwickelt das Buch damit eine Analytik gesellschaftlicher Felder, die in Umfang und Zusammenstellung für die Soziologie neu ist. Ihrem analytischen Wert wollen wir im Rahmen des Lektürekurses gemeinsam nachgehen.

 

SoSe 2018: Institutionelle Diskriminierung. Theorien struktureller und organisierter Benachteiligung

(gemeinsam mit Sabrina Ellebrecht)

Wenn Gruppen- und Personenkategorien zur Herstellung, Begründung und Rechtfertigung von Ungleichheit verwendet werden, spricht man von Diskriminierung. Diskriminierung ist ein komplexes soziales Phänomen das häufig als aktives Geschehen und individuelles Handeln vorgestellt wird, welches auf Vorurteile, negative Emotionen und Stereotypen basiert. Dies ist Gegenstand sozialpsychologischer Ansätze der Diskriminierungsforschung, die zu Beginn des Seminars eingeführt werden.
Daran anschließend und auch in Abgrenzung zu diesen Ansätzen widmet sich das Seminar insbesondere der Frage inwiefern und mit welchen Konsequenzen Strukturen, Institutionen und Organisationen diskriminieren, d.h. ungerechte Folgen für soziale Gruppen haben und wie damit gesellschaftlich und politisch umgegangen wird.
Die Frage „Was ist institutionelle Diskriminierung, und wie kann sie soziologisch beschrieben und empirisch untersucht werden“ ist zentral für das Seminar. Um sich dieser Frage und ihren Beantwortungsmöglichkeiten zu nähern, werden sowohl die Wechselwirkungen von Klassifikationen, Identitätszuschreibungen und Sozialstruktur thematisiert, als auch gefragt, wie Strukturen, Institutionen und Organisationen soziologisch zu begreifen sind und inwieweit davon gesprochen werden kann, dass diese – im Unterschied zum einzelnen Akteur – in der Lage sind, Gruppen oder Personen zu benachteiligen.
Die Textgrundlage bilden klassische Beiträge der soziologischen Analyse von Diskriminierung und der Organisationssoziologie sowie einzelne empirische Untersuchungen, des weiteren Gutachten und Stellungnahmen von Organisationen.

 

SoSe 2018: Medizinische Versorgung vulnerabler Gruppen (interdisziplinäres Seminar)

(aufgrund weniger Anmeldungen auf ein kommendes Semester verschoben)

Zum Thema „Mehr als ‚nur ein bisschen krank‘ – die Rolle der medizinischen Primärversorgung vulnerabler gesellschaftlicher Gruppen“ bietet der Lehrbereich Allgemeinmedizin der Universitätsklinik Freiburg im kommenden Semester ein interdisziplinäres Seminar an. Gemeinsam mit anderen Fachbereichen, wie beispielsweise Soziologie, Philosophie und Gesundheitspädagogik ist es das Ziel, sich mit aktuellen sozio-politischen Fragestellungen in der primärmedizinischen Betreuung zu beschäftigen und dafür zu sensibilisieren. Der Fokus liegt dabei auf der Gesundheitsversorgung gesellschaftlicher Personengruppen, die mit besonderen Risiken aus dem sozioökonomischen sowie kulturellen Bereich konfrontiert sind. Im interdisziplinären Austausch wollen wir gemeinsam Handlungsstrategien kennenlernen bzw. selber entwickeln. So werden beispielsweise anhand eines Planspiels und im Rahmen von Hospitationen in öffentlichen und karitativen Einrichtungen Themen wie Migration, soziale Ungleichheit, Integration und Inklusion erfahrbar gemacht.

Der interdisziplinäre Ansatz ermöglicht es den Teilnehmer_innen bisher unbekannte Perspektiven in die eigene Betrachtung mit einzubeziehen und sich in interprofessioneller Kooperation zu üben.>

 

SoSe 2016: Interaktion, Organisation, Gesellschaft. Einführung in die Systemtheori>

Mikro- und Makrosoziologie laufen häufig nebeneinander her. Während die eine sich mit Gesellschaft im Kleinen beschäftigt und von der Frage getrieben wird, wie Personen ihr Handeln in bestimmten Situation koordinieren, hat die Makrosoziologie das „große Ganze“ im Blick. Sie interessiert sich eher für stabile gesellschaftliche Strukturmuster und historische Umbrüche. Dabei abstrahiert sie zwangsläufig von den einzelnen Interaktionen, die täglich millionenfach vorkommen, aber selten von längerer Dauer sind. Wenige soziologische Theorien haben Antworten auf die Frage zu formulieren versucht, wie „große“ gesellschaftliche Strukturen und „kleine“ Interaktion zusammenhängen. Die Systemtheorie Niklas Luhmanns bietet mit der Ebenenunterscheidung von Interaktion, Organisation und Gesellschaft einen eigenen Lösungsvorschlag an, der Makro-, Mikro- und Organisationssoziologie miteinander in Kontakt bringt.

Das Seminar verfolgt zum einen das Ziel, die drei einzelnen Ebenen für sich zu betrachten und ihre Alleinstellungsmerkmale herauszuarbeiten. Zum anderen geht es darum, die Beziehung und das historisch gewandelte Verhältnis der unterschiedlichen Ebenen zueinander in den Blick zu nehmen.

Für Luhmann liegen Interaktion, Organisation und Gesellschaft nicht nur auf verschiedenen Ebenen, sondern stellen drei Fälle sozialer Systeme dar. Jeder Systemtyp besitzt charakteristische Merkmale, gleichzeitig gehorchen die Typen aber allesamt dem von Luhmann entworfenen Modell eines sozialen Systems. Bevor wir uns im Seminar den drei Systemtypen zuwenden, werden wir uns deshalb zu Beginn damit beschäftigen, was ein soziales System ist. Ganz am Ende des Seminars erweitern wir dann die Perspektive nochmals und fragen, ob neben Interaktion, Organisation und Gesellschaft noch andere Systemtypen (Familien, Gruppen, Bewegungen) vorstellbar sind.

 

SoSe 2014: Soziologie der Organisation

(gemeinsam mit Stefan Kaufmann)

 

WiSe 2012/13: "Vermittlung – Evaluation – Forschung: Zur dreifachen Funktion der Soziologie und ihrer jeweiligen methodischen Ausrüstung. Am Beispiel der Entwicklung einer Rettungstechnik im interdisziplinären Projekt SOGRO". Vortrag im Rahmen der Ringvorlesung "Einführung in die empirische Sozialforschung", Freiburg, 6.2.2013.

 

SoSe 2012 und WiSe 2012/13: Empirisches Forschungspraktikum I + II: Einführung in die qualitative Interviewforschung: "Experten des Notfalls: Zwischen Routine und Ausnahme. Zum Arbeitsalltag von Rettungsassistenten und/oder Feuerwehr"

(gemeinsam mit Jan Kruse)

 

WiSe 2011/12: Soziologie der Organisation

(gemeinsam mit Stefan Kaufmann)

 

SoSe 2011: Einführung in die Soziologie der Katastrophe

SoSe 2010: Staat und Sicherheit

Sose 2008: Biopolitik und Rassismus (teaching assistant von Stefan Kaufmann)

SoSe 2007: Theorien des Rassismus (Autonomes Seminar unter Supervision von Prof. Wolfgang Eßbach)