Podcast: Erschöpfung statt Gelassenheit
Achtsam: So heißen beispielsweise ein Weißwein, eine Kosmetikfirma und ein mehrwöchiger Yoga-Kurs.
Achtsam: So sollen Menschen neuerdings die meisten Angelegenheiten ihrer Lebensführung meistern und etwa achtsam essen, achtsam reisen und – tatsächlich -achtsam die Steuererklärung erstellen.
Der Soziologe Ulrich Bröckling bezeichnet Achtsamkeit mittlerweile als ein „universelles Life-Style-Label“, das ebenso beliebig geworden ist wie „bio“ oder „öko“.
Dennoch interessiert ihn Achtsamkeit: Das u.a. von ihm herausgegebene „Glossar der Gegenwart 2.0“ beginnt mit A wie „Achtsamkeit“. Worauf verweist Achtsamkeit als ein Schlüsselbegriff, mit dem sich die Gegenwart verstehen und deuten lässt?
Bröckling liefert eine Antwort: In seiner Deutung ist Achtsamkeit Ausdruck eines tiefen Bedürfnisses, das die Menschen heute prägt – ein Bedürfnis nach Kontrolle in einer Welt, die zunehmend als überfordernd und bedrohlich empfunden wird. Die permanente Unsicherheit und das Gefühl, „im Ernstfall“ nicht die richtigen Entscheidungen treffen zu können, haben Achtsamkeit zu einem Instrument der Selbstheilung und Optimierung gemacht. Sie verspricht nicht nur innere Ruhe, sondern auch die Fähigkeit, im Chaos präsent und handlungsfähig zu bleiben.
Ein Gespräch über Achtsamkeit, Resilienz, Unsicherheit und
Finanzmarktkapitalismus und über das, was dem Verlust an Zukunft und den Politiken der Apokalypse entgegenzusetzen wäre: Eine Ethik der Sorge.