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Lehre

 

Es werden regelmäßig Lehrveranstaltungen aus den Themenfeldern Sicherheit, Techniksoziologie und Organisations-soziologie angeboten. Schwerpunkte bilden dabei eine kulturtheoretische Ausrichtung, im Bereich empirischer Forschung wird mit qualitativen Methoden, insbesondere mit diskursanalytischer Ausrichtung gearbeitet.

SS 2022

Soziologie des Krieges - Zur Genealogie und Theorie gegenwärtiger Kriege

Dienstag 14 - 16 Uhr

Nicht selten kehrt Verdrängtes zurück – wenn auch meist in gewandelter Form. Der offene Krieg Russlands gegen die Ukraine gilt nicht wenigen Beobachter:innen – wie auch schon die Jugoslawienkriege in den 1990er Jahren und die Kriege im Zeichen der Terrorismusbekämpfung nach 9/11 – als „Zeitenwende“ oder als Beginn einer „neuen Zeitrechnung“. Jedenfalls erinnert er an eine grundlegende Ambivalenz der Moderne: einerseits haben sich in der Moderne Institutionen und Verfahren der Ordnungsstiftung entwickelt, Kriegsexzesse und militärische Gewalt zu kanalisieren und zu begrenzen; andererseits ist militärische Macht nicht nur eine entscheidende Machtressource geblieben, vielmehr sind mit Modernisierung Prozesse verbunden, kriegerische Macht und Gewalt erheblich zu steigern. In diesem Sinne versucht das Seminar, die Beobachtung und Diskussion zum gegenwärtigen Krieg an grundlegende Zusammenhänge von Kriegs-, Staats- und Gesellschaftsentwicklung in der Moderne zurückzubinden.

Drei thematische Stränge werden verhandelt. Erstens werden mit Rückgriff auf Clausewitz‘ Theorie des Krieges historische Transformationen im Verhältnis von gesellschaftlicher Entwicklung und Krieg (etwa totaler Krieg, atomare Konstellation) in den Blick genommen. Zweitens wird vor dem Hintergrund der konstitutiven und strukturbildenden Funktion von Kriegen für die Ausprägung moderner Staatlichkeit die seit den 1990er Jahren aufgekommene Diskussion um „alte“ und „neue“ Kriege (asymmetrische Kriegführung, Bürgerkrieg) aufgenommen. Drittens wird die Frage nach einer gegenwärtigen Hybridisierung von Krieg und Frieden verhandelt, für die Stichworte wie Cyberwar, Informationskrieg, Finanzkrieg, aber auch der Wandel kollektiver Affektlagen („Ende der Friedfertigkeit“?) stehen.

Urbane (Un-)Sicherheit

Mittwoch 14 -16 Uhr

Sicherheit ist seit den 1990er Jahren in Europa zu einem zentralen Feld städtischer Entwicklung geworden. Man kann von einer sicherheitspolitischen Wende in der Stadtpolitik sprechen, die eine seither anhaltende Dynamik entfaltet. Die Gründe für diese Wende sind umstritten. Während sich politische Legitimationen auf verschärfte Problemlagen berufen, beobachtet die sozialwissenschaftliche Kritik einen gewandelten gesellschaftlichen Umgang mit Unsicherheiten, insbesondere Kriminalität, also einen Wandel der Sicherheitskultur, der im Kontext des Aufstiegs neuer sozialer Unsicherheiten und einer Ökonomisierung der Stadtpolitik zu verorten sei.

Das Seminar wird die Frage nach zugrundeliegenden Logiken der sicherheitspolitischen Wende aufnehmen und an wesentlichen Ausprägungen städtischer Sicherheitspolitik durchspielen: dem neuen ordnungspolitischen Zuschnitt des öffentlichen Raums im Zuge seiner Privatisierung, der Mobilisierung heterogener gesellschaftlicher Akteure im Rahmen städtischer Kriminalprävention, der Technisierung und Materialisierung von Kontrolle im städtischen Raum sowie der forcierten sicherheitspolitischen Rahmung von Großveranstaltungen. Ein Blick über den europäischen Tellerrand hinaus rückt schließlich den Zusammenhang von städtischer Sicherheit und Krieg und auch in Europa sichtbare Trends einer Militarisierung von Sicherheit in den Blick.

 

WS 2021/22

Soziologie der Sicherheit

Dienstag 14 - 16 Uhr

Seit der Jahrtausendwende vollzieht sich eine Transformation in den Konzepten, institutionellen Arrangements und Praktiken im Umgang mit (Un)Sicherheit. Begriffe wie „Homeland Security“, „Secure Societies“, „Resilient Nation“, „kritische Infrastrukturen“ oder auch „zivile Sicherheit“ prägen politische Programmatiken, mediale Berichterstattung, die Fachdebatten im Sicherheitsmanagement wie auch wissenschaftliche Analysen der Gegenwart. Sie markieren nicht nur einen institutionellen Wandel, sondern auch einen Perspektivenwechsel, in dem die Verwundbarkeit moderner Gesellschaften ins Zentrum des Sicherheitsdenkens rückt. Anstelle äußerer Gefahren ist die intrinsische Verwundbarkeit ökonomisch, medial und infrastrukturell hochgradig vernetzter Gesellschaften in den Vordergrund gerückt. Sicherheitsproduktion bezieht sich inzwischen folglich auf so unterschiedliche Aufgaben wie Terrorismusbekämpfung, das Management von Katastrophen, die Sicherung von Infrastrukturen, die Abwehr von Epidemien, die Kontrolle von Migrationsbewegungen oder die Prävention von Kriminalität.

Die soziologische Auseinandersetzung mit den Triebkräften und Effekten der gegenwärtigen Konjunktur von Sicherheit basiert auf unterschiedlichen kultur- und sozialwissenschaftlichen Paradigmen, die von ihrer Fragestellung, ihren Schlüsselkonzepten und ihrer methodischen Herangehensweise andere Schwerpunkte setzen. Im Seminar werden unterschiedliche Forschungsdesigns dieser Auseinandersetzung verhandelt: diskursanalytische Studien, die der Genealogie von Sicherheitsproblemen nachgehen; praxeologische Studien, die nach den Spezifika, den Normen und Selbstverständnissen institutioneller Sicherheitspraktiken fragen und insbesondere mit ethnographischer Beobachtung arbeiten; Studien zu Formen und Effekten einer Technisierung von Sicherheitspraktiken, die an den „material turn“ anknüpfen; Studien, welche den affektiven, emotionalen und somatischen Verankerungen und Effekten von Sicherheitspolitiken, -diskursen und -praktiken nachgehen; positivistische Studien, die nach der „objektiven“ Relevanz von Unsicherheiten fragen.

 

Populismus – Bestimmungen, Theorien, Erscheinungsformen

Mittwoch 12 - 14 Uhr

Der Begriff des Populismus hat – sowohl als politischer Kampfbegriff wie als sozialwissenschaftliche Kategorie  und nicht selten als beides zugleich – seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert immer  wieder Konjunktur. Dies auch gegenwärtig: Das Cover eines aktuellen Essays zu Populismus etwa verweist mit Bildern von Victor Orbán, Geert Wilders, Donald Trump, Marine Le Pen, Beppe Grillo und Hugo Chávez noch nicht einmal ansatzweise auf all die Regierungen, Parteien und Bewegungen, die vom demokratietheoretischen Mainstream mit „populistischer Gefahr“ assoziiert werden. Aber schon mit Blick auf die Heterogenität der Genannten stellt sich die Frage, was denn das spezifische Gemeinsame und Abgrenzende, oder anders ausgedrückt: was denn Populismus ist.

Das Seminar wird sich zunächst mit unterschiedlichen Konzeptualisierungen (typologischen, demokratietheoretischen, relationalen) von Populismus auseinandersetzen. Ein erster Schwerpunkt liegt auf der Populismustheorie von Ernesto Laclau und den mit seiner Theorie verbundenen Fragen nach der Konstitution von Hegemonie und kollektiver Identität (Volk), wie auch nach der konstitutiven Affektgeladenheit des Politischen. Ein zweiter Schwerpunkt gilt der (Diskussion um die) Differenz dem Konzept radikaler Demokratie (Linkspopulismus, Chantal Mouffe) und autoritärem Populismus. Daran anschließend werden in gegenwartsdiagnostischer Hinsicht Fragen nach den strukturellen Ursachen populistischer Konjunktur – im politischen System, sozialer Ungleichheit, Mediendynamiken – verhandelt.

 

SS 2021

Sicherheit in der Krise - Forschungsseminar zur Pandemie

Mittwoch 10 - 12 Uhr

Zugespitzte Krisen, oder genauer: Notfalllagen, wie die derzeitige Pandemie begründen einen radikalen Wandel der Sicherheitsgewährleistung. Notfallgesetze und -verordnungen treten in Kraft, die mit erheblichen Grundrechtseingriffen verbunden sind. Notfälle mögen zunächst selbstevident und selbstlegitimierend erscheinen, sobald sie in eine zeitlich ausgedehnte Notfalllage übergehen, tritt ihr politischer Charakter hervor. Die scheinbare Alternativlosigkeit von Entscheidungen schwindet, die Priorisierung und Verteilung behördlicher Hilfe wird ebenso rechtfertigungspflichtig wie die Einschränkungen des sozialen Lebens. Entsprechend entfalten sich – zumindest in liberalen Gesellschaften – Meinungspluralität und Konflikte, Maßnahmen geraten in Zweifel, öffentliche (Zu-)stimmungen kippen.

Diese Transformation in der Legitimation und Akzeptanz des Notfalls sowie die Entfaltung divergierender Meinungen und Konflikte wird das Seminar anhand der öffentlichen Diskussion zur Politik der Pandemiebekämpfung aufarbeiten. Ein erster Teil des Seminars ist der Erarbeitung der methodologischen und theoretischen Orientierungen gewidmet. Verhandelt werden je nach Interesse und Vorkenntnissen der Teilnehmer*innen die Theorie der Versicherheitlichung (Ole Wæver, Barry Buzan), wissenssoziologische Diskursanalyse, affekttheoretische Reflexionen (Brian Massumi) und die Soziologie der Rechtfertigung (Luc Boltanski, Laurent Thévenot). Ein zweiter Teil analysiert unter diesen Perspektiven die Dynamik des öffentlichen Diskurses zu spezifischen Maßnahmen und Geboten der Pandemiebekämpfung (z.B. Kontaktverbote, Maskentragen, Tracing-App, Impfung). Das Seminar steht im Kontext der Vorbereitung eines größeren Forschungsprojekts und bietet auch Anschlussmöglichkeiten für eigene Studienprojekte und Abschlussarbeiten.

 

Integration, Diversität und Organisation

Mittwoch 14 - 16 Uhr

Identitätspolitische Spannungen sind zu einem zentralen gesellschaftlichen Konfliktfeld avanciert. Während rechtspopulistische Bewegungen mit identitären Schließungsprozessen auf die Pluralisierung von Lebensentwürfen antworten, verliert der Kampf um Anerkennung und Partizipation exkludierter und benachteiligter gesellschaftlicher Gruppen keineswegs an Vehemenz. Identität wird zum wesentlichen politischen Einsatz im Kampf um die gesellschaftliche Verfassung, der sich im Umgang mit Migration zuspitzt – als „Chiffre für Pluralität“, „in deren Ablehnung sich gleichermaßen die Abwehr weiterer pluraler Lebensformen bündelt“ (Foroutan). Damit ist nicht nur eine generelle gesellschaftliche Polarisierung skizziert, sondern auch die Paradoxie, dass verstärkte Integration mit verschärften Konflikten einhergeht (El-Maafalani). Dies spiegelt sich auch auf der Ebene von Organisationen und Institutionen wider: Bekenntnisse zu Diversität und interkultureller Öffnung sind schon beinahe obligatorisch, während sich zugleich die Kritik an institutionellem Rassismus verschärft.

Das Seminar wird sich mit diesen Konflikten und Paradoxien zunächst auf gegenwartsdiagnostischer Ebene auseinandersetzen, insbesondere mit Foroutans Diagnose von einer „postmigrantischen Gesellschaft“. In einem zweiten Seminarteil werden unter organisationskultureller Perspektive an einzelnen Fallbeispielen die Spannung zwischen Bemühungen um Diversität – insbesondere unter den Vorzeichen interkultureller Öffnung – und struktureller Diskriminierung verhandelt. Gedacht ist zunächst an Organisationen aus dem Sicherheitsbereich, wie die Polizei oder die Feuerwehr. Je nach Interesse der Teilnehmenden können aber auch weitere Organisationen aus den Feldern Verwaltung, Kirche, Bildung, Wirtschaft, Gesundheitswesen oder Sport verhandelt werden.