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Aktuelle Lehrveranstaltungen

Grundzüge der Soziologie. Einführungsvorlesung

„Soziologie ist das, was Leute, die sich Soziologen nennen, tun, wenn sie von sich sagen, dass sie Soziologie betreiben. Mehr nicht.“ – So hat der Soziologe Ralf Dahrendorf einmal die Frage „Was ist Soziologie“ beantwortet. Aber was tun Soziolog*innen eigentlich, wenn sie sagen, dass sie Soziologie betreiben? Und wenn Soziologie ein Tun, eine Praxis ist, was ist und wozu braucht man dann soziologische Theorie? Die Vorlesung richtet sich an Studienanfängerinnen und -anfänger und gibt ausgehend von ausgewählten Grundbegriffen einen Einblick in soziologische Denkweisen und Theorien. Ebenso wichtig wie die Beschäftigung mit den Antworten der Soziologie ist dabei die Auseinandersetzung mit den Fragen, auf welche sie antwortet. Ziel der Vorlesung ist eine Einübung des „soziologischen Blicks“. Begleitend zur Vorlesung finden Tutorate statt, in denen die Vorlesungsthemen vertieft und Grundlagen wissenschaftlichen Arbeitens vermittelt werden. 

Vergangene Lehrveranstaltungen

"Sozialwissenschaftliche Methoden" als Teil des Seminars "Anthropologische Forschungsmethoden" (im WS 2023/24)

zusammen mit Prof. Michaela Haug (Ethnologie). 

Wie verändern KI-Anwendungen die wissenschaftliche Schreib- und Forschungspraxis? Ein Werkstattseminar (im SoSe 2023)

Ende des letzten Jahres wurde eine ganze Reihe von KI-Anwendungen, wie die Software Chat GPT 3, freigeschaltet. Die Veröffentlichung weiterer Programme ist bereits angekündigt. Sie bieten eine Vielzahl an Leistungen an, die im wissenschaftlichen Arbeitsprozess eingesetzt werden können und die – darüber besteht weitgehend Einigkeit – die wissenschaftliche Schreib- und Forschungspraxis verändern werden. Offen ist allerdings, wie sie sich ändern wird.

Im Zentrum des Seminars steht das Ausprobieren, das Erfahrungen Sammeln sowie das gemeinsame Auswerten unterschiedlicher KI-Anwendungen. Dazu werden zunächst Kriterien wissenschaftlicher Qualitätssicherung und Aspekte des wissenschaftlichen Selbstverständnisses erarbeitet, welche die Auswertung der KI-Programme in der Folge dann leiten sollen. Arbeitsgruppen bereiten jeweils eine Werkstattsitzung zu einzelnen Anwendungen von KI-Programmen und deren Auswertung bzw. Diskussion vor.

 

Bachelorarbeitskolloquium (im SoSe 2023)

Das BA-Kolloquium ist als Unterstützung und Begleitung beim Verfassen der Bachelorarbeit gedacht. Entsprechend richtet es sich an diejenigen, die im Laufe des Sommersemesters ihre Bachelorarbeit abgeben. Es setzt sich aus drei halbtägigen Schreibwerkstätten vor Beginn der Vorlesungszeit und regelmäßigen Sitzungen (alle zwei Wochen donnerstags von 16-18 Uhr) im Sommersemester zusammen. Die drei Schreibwerkstätten sind interaktiv gestaltet, es gibt Inputs zu den einzelnen Themen, aber die wesentlichen Arbeitsschritte finden in Gruppen und wechselseitiger Unterstützung der Studierenden untereinander statt. Dabei geht es vor allem um die Eingrenzung der Fragestellung, den Aufbau sowie formale Fragen der Bachelorarbeit. Die regelmäßigen Sitzungen während der Vorlesungszeit dienen dem Austausch über den Stand der Arbeiten, Fragen und Schwierigkeiten im Arbeitsprozess und beim Schreiben.

 

Grundzüge der Soziologie. Einführungsvorlesung (im WS 2022/23)

„Soziologie ist das, was Leute, die sich Soziologen nennen, tun, wenn sie von sich sagen, dass sie Soziologie betreiben. Mehr nicht.“ – So hat der Soziologe Ralf Dahrendorf einmal die Frage „Was ist Soziologie“ beantwortet. Aber was tun Soziolog*innen eigentlich, wenn sie sagen, dass sie Soziologie betreiben? Und wenn Soziologie ein Tun, eine Praxis ist, was ist und wozu braucht man dann soziologische Theorie? Die Vorlesung richtet sich an Studienanfängerinnen und -anfänger und gibt ausgehend von ausgewählten Grundbegriffen einen Einblick in soziologische Denkweisen und Theorien. Ebenso wichtig wie die Beschäftigung mit den Antworten der Soziologie ist dabei die Auseinandersetzung mit den Fragen, auf welche sie antwortet. Ziel der Vorlesung ist eine Einübung des „soziologischen Blicks“. Begleitend zur Vorlesung finden Tutorate statt, in denen die Vorlesungsthemen vertieft und Grundlagen wissenschaftlichen Arbeitens vermittelt werden.

 

Bachelorarbeitskolloquium (im WS 2022/23)

Das BA-Kolloquium ist als Unterstützung und Begleitung beim Verfassen der Bachelorarbeit gedacht. Entsprechend richtet es sich an diejenigen, die im Laufe des Wintersemesters ihre Bachelorarbeit abgeben. Es setzt sich aus drei halbtägigen Schreibwerkstätten vor Beginn der Vorlesungszeit und regelmäßigen Sitzungen (alle zwei Wochen donnerstags von 16-18 Uhr) im Wintersemester zusammen. Die drei Schreibwerkstätten sind interaktiv gestaltet, es gibt Inputs zu den einzelnen Themen, aber die wesentlichen Arbeitsschritte finden in Gruppen und wechselseitiger Unterstützung der Studierenden untereinander statt. Dabei geht es vor allem um die Eingrenzung der Fragestellung, den Aufbau sowie formale Fragen der Bachelorarbeit. Die regelmäßigen Sitzungen während der Vorlesungszeit dienen dem Austausch über den Stand der Arbeiten, Fragen und Schwierigkeiten im Arbeitsprozess und beim Schreiben.

 

Wohnen. Kulturwissenschaftliche Perspektiven (im SoSe 2022)

Kooperationsveranstaltung mit Julika Griem und dem Kulturwissenschaftlichen Institut Essen als Blockseminar

Menschen haben sich schon früh in der Geschichte der Besiedelung unseres Planeten Behausungen geschaffen – aber wie wir unseren Lebens- und Wohnraum gestalten, wird durch unterschiedliche historische und soziokulturelle Kontexte bestimmt. Wie wir wohnen, bauen und darüber denken, erlaubt Rückschlüsse auf Weltverhältnisse und Menschenbilder, Ressourcenverteilungen und Machtverhältnisse, Traditionen und Zukunftsentwürfe. Und innerhalb und außerhalb unserer vier oder auch weniger Wände verbinden sich auch immer individuelle Gestaltungsbedürfnisse und kollektive Trends: „In der Ausgestaltung des Wohnraumes spiegeln sich“, so Jean Baudrillard,  „die Familien- und Gesellschaftsstrukturen einer Epoche wider“.

Das interdisziplinäre Blockseminar zielt darauf ab, das Wohnen aus einer kulturwissenschaftlichen Perspektive zu erkunden und dafür auf möglichst vielfältige Quellen und Materialien zurückzugreifen. An einem ersten Wochenende werden verschiedene disziplinäre Zugänge zur Erforschung eines solchen Gegenstands erarbeitet, die im zweiten Block anhand von z.B. Literatur und Filmen, Werbung und social media, Design-Objekten Architekturstilen und Wohn-Experimenten angewendet, ethnographisch vertieft und überprüft werden. Dabei wird immer auch danach gefragt, auf welche Weise sich die verschiedenen Perspektiven auf das Wohnen wechselseitig anregen und ergänzen können.

 

Soziologie und Fotografie. Fotografieren und visuelle Analysen als soziologische Methoden“ (im SoSe 2022)

Lange Zeit waren die Fotografien aus den soziologischen Beschreibungen verschwunden. Stück für Stück sind sie jedoch zurückgekommen. Gerade im Zusammenhang mit den Möglichkeiten der digitalen Bildproduktion und der Verwendung digitaler Fotografien in den Sozialen Medien haben sie auch in der soziologischen Forschung an Bedeutung gewonnen.

Im Seminar geht es um die Rolle der Fotografie in der soziologischen Forschung. Dazu wird zunächst besprochen, wie Fotografien im Laufe der Geschichte der Soziologie aufgetreten und verwendet worden sind. Der Schwerpunkt liegt jedoch darauf, wie das Fotografieren als soziologische Methode eingesetzt werden kann und wie sich Fotografien soziologisch analysieren lassen. Dazu werden Einsatzmöglichkeiten des Fotografierens in der ethnografischen Forschung diskutiert und in der Praxis erprobt. Außerdem werden Methoden der visuellen Soziologie erarbeitet, mit denen sich Fotografien analysieren lassen.

 

Autosoziobiografien. Zur Rolle soziologischer Selbstbeobachtungen“ (im SoSe 2022)

Das neue und vieldiskutierte Genre der Autosoziobiografien ist in erster Linie durch Didier Eribons „Rückkehr nach Reims“ bekannt geworden. Er beschreibt darin seine eigenen Erfahrungen des Klassenaufstiegs und legt diese soziologisch aus. Neben Eribon publizierten bereits eine ganze Reihe an Autor:innen, wie Annie Ernaux, Deniz Ohde und Édouard Louis, ähnliche Schriften, denen in der Rezeption eine soziologische Relevanz zugesprochen wird. Dabei wird diskutiert, in welcher Weise solche persönlichen und literarischen Texte überhaupt soziologische Erkenntnisse generieren können und welche Rolle das autobiografische Schreiben in der soziologischen Forschung spielen könnte.

Im Seminar sollen diese Fragen aus kultur- und literatursoziologischer Sicht aufgegriffen und mit ihnen verschiedene Selbstbeobachtungen von Soziolog:innen untersucht werden. Den Ausgangspunkt dazu bildet die kritische Auseinandersetzung mit dem Genre der Autosoziobiografien. Was zeichnet diese Form der literarisch-soziologischen Beschreibung aus? Wie lassen sich daraus soziologische Schlüsse ziehen? Welche literarischen Formen werden hier ausprobiert und was sind deren soziologische Erkenntnismöglichkeiten, aber auch -grenzen?

Darüber hinaus soll nach weiteren autobiografischen Schreibformaten und Selbstbeschreibungen in der Soziologie gefragt werden. So finden sich bereits in den Werken früher Soziologinnen autobiografische Schriften, die eine soziologische Relevanz und einen literarischen Anspruch aufweisen. Auch im Kontext ethnografischer Forschungen spielt das autobiografische Schreiben eine wesentliche Rolle und wird genutzt, um soziologische Erkenntnisse zu gewinnen. Die inhaltlichen Schwerpunkte werden zusammen mit den Teilnehmenden des Seminars gesetzt.

 

Bachelorarbeitskolloquium (im SoSe 2022)

Das BA-Kolloquium ist als Unterstützung und Begleitung beim Verfassen der Bachelorarbeit gedacht. Entsprechend richtet es sich an diejenigen, die im Laufe des Sommersemesters ihre Bachelorarbeit abgeben. Es setzt sich aus drei halbtägigen Schreibwerkstätten vor Beginn der Vorlesungszeit und regelmäßigen Sitzungen (alle zwei Wochen donnerstags von 16-18 Uhr) im Sommersemester zusammen. Die drei Schreibwerkstätten sind interaktiv gestaltet, es gibt Inputs zu den einzelnen Themen, aber die wesentlichen Arbeitsschritte finden in Gruppen und wechselseitiger Unterstützung der Studierenden untereinander statt. Dabei geht es vor allem um die Eingrenzung der Fragestellung, den Aufbau sowie formale Fragen der Bachelorarbeit. Die regelmäßigen Sitzungen während der Vorlesungszeit dienen dem Austausch über den Stand der Arbeiten, Fragen und Schwierigkeiten im Arbeitsprozess und beim Schreiben.

 

Master-Kolloquium (im SoSe 2022)

Fahrstuhl-Effekte. Der Aufzug als sozialer und literarischer Ort (im WS 2021/2022)

Kooperationsveranstaltung mit Julika Griem und dem Kulturwissenschaftlichen Institut Essen als Blockseminar

Der Aufzug stellt nicht nur eine technische Infrastruktur innerhalb eines Gebäudes dar. An diesem besonderen Ort spielen sich auch in der Literatur und im Film immer wieder zentrale Szenen ab oder er bildet den Übergang in Zwischen- oder andere Phantasiewelten. Kein Wunder also, dass der Aufzug auch als Metapher (für sozialen Auf- oder Abstieg) gerne verwendet wird, etwa wenn Ulrich Beck in Bezug auf sozialstrukturelle Entwicklungen vom ‚Fahrstuhl-Effekt‘ schreibt. Nicht zuletzt widmen sich Soziolog*innen in ihren Texten Aufzug-Szenen, um an diesem verdichteten Sozialraum die wesentlichen Merkmale sozialer Interaktionen herauszuarbeiten. 

Das interdisziplinäre Blockseminar zielt darauf ab, den besonderen Ort des Aufzugs literaturwissenschaftlich und soziologisch zu erkunden. An einem ersten Wochenende werden Zugänge zur Erforschung eines solchen Gegenstands erarbeitet, die dann im zweiten Block anhand von Literatur- und Filmanalysen sowie ethnografischen Studien zum Aufzug angewendet werden. Dabei wird immer auch danach gefragt, auf welche Weise sich die verschiedenen fachlichen Perspektiven wechselseitig anregen und ergänzen können.

 

Die Angestellten, der Fremde, der flexible Mensch. Sozialfiguren in soziologischen Gegenwartsdiagnosen (im WS 2021/2022)

Gegenwartsdiagnosen zählen zu den wesentlichen Beschreibungsformen der Soziologie. Sie beanspruchen, die prägenden Charakteristika der Gegenwartsgesellschaft auf den Begriff zu bringen, der oftmals bereits im Titel der soziologischen Bücher auftaucht: wie die ‚Risikogesellschaft‘ (Beck) oder die ‚Abstiegsgesellschaft‘ (Nachtwey). Solche gegenwartsdiagnostischen Texte arbeiten jedoch nicht nur mit einprägsamen Titeln. Im Rahmen dieser Beschreibungen treten oftmals Figuren auf, die auf ihre Weise die charakteristischen Merkmale der betreffenden Zeit verkörpern: die Sozialfiguren. So liefert Siegfried Kracauer ein eindrückliches Bild der ‚Angestellten‘, die Anfang des 20. Jahrhunderts vermehrt die Firmenbüros der Großstädte bevölkern; oder Richard Sennet schildert anschaulich, wie sich die Lebensumstände des ‚flexiblen Menschen‘ durch die Flexibilisierung der Arbeitswelt verändern.

Gegenstand des Seminars sind diese Sozialfiguren, in denen sich die soziologische Diagnostik figurativ verdichtet. Zur Untersuchung von Sozialfiguren und ihren Eigenschaften sowie der Rolle, die sie in den soziologischen Beschreibungen spielen, werden nicht nur aktuelle, sondern auch ältere Gegenwartsdiagnosen hinzugezogen. Auf diese Weise können die diagnostischen Figurationen untereinander verglichen werden: Welche Sozialfiguren treten in welcher Zeit auf und welche Erfahrungs- und Problemlagen artikulieren sie? Zugleich verschafft das Seminar den Teilnehmenden dadurch einen Einblick in die Funktionsweise soziologischer Beschreibungsformen und einen Überblick über wesentliche Texte der Soziologiegeschichte.

 

Literarische und soziologische Beschreibungen von Digitalisierung (im SoSe 2021)

Soziolog*innen beschreiben die Gesellschaft. Ob in soziologischen Theorien, Gegenwartsdiagnosen oder ethnografischen Studien, ein wesentlicher Teil der soziologischen Arbeit besteht darin, das, was sich im Sozialen abspielt, zunächst einmal treffend zu beschreiben. An dieser Stelle begegnen sich soziologische und literarische Beschreibungen. Denn auch literarische Werke können oftmals als pointierte Gesellschaftsbeschreibungen gelesen werden. Diese Schnittmenge von Literatur und Soziologie soll im Seminar anhand der Beschreibungen von Digitalisierungsprozessen erforscht werden.

Zwei Fragerichtungen stehen dabei im Fokus. Zum einen eine inhaltliche: Hier geht es um den sozialen Wandel, der unter dem Schlagwort der ‚Digitalisierung‘ gefasst wird. Welche gesellschaftlichen Themen, Frage- und Problemstellungen rund um die Digitalisierung finden sich einerseits in der Literatur – etwa in Romanen – und andererseits in soziologischen Texten? Dies dient dazu, möglichst breit zu sichten, welche gesellschaftlichen Erfahrungen und Problemstellungen im Zusammenhang mit dem Digitalen verhandelt werden.

Zum anderen geht es darum, die Gemeinsamkeiten und Unterschiede von literarischen und soziologischen Beschreibungen herauszuarbeiten. Wie werden etwa die Dynamiken von social media in der Literatur beschrieben – und wie im Vergleich dazu in der Soziologie? Welche Motive finden sich in beiden Beschreibungsformen? Welche Aspekte erfassen bevorzugt literarische Darstellungen und was thematisieren hingegen die soziologischen Texte? Dabei werden die literarischen Texte soziologisch befragt, aber auch die soziologischen Beschreibungen auf literarische Kriterien hin untersucht.

Zu Anfang werden wir uns mit dem Verhältnis von Literatur und Soziologie beschäftigen. Ein erster inhaltlicher Einstieg erfolgt anhand der Beschreibungen prägender Figuren des Digitalen, wie des ‚vermessenen Selbst‘, des ‚Hackers‘ oder des ‚Whistleblowers‘. Im Anschluss werden wir parallel jeweils Romanausschnitte und soziologische Theorien zu einzelnen Aspekten des Digitalen diskutieren.

 

Gründungstexte der Soziologie (im WS 2020/2021)

Ziel des Seminars ist es, die Grundlagen der Soziologie kennenzulernen und sich ein Bild davon zu machen, auf welche Weise, mit welchen Mitteln und in welchem historisch-sozialen Umfeld die Soziologie gegründet wurde. Dabei ist durchaus umstritten, wann das ‚Geburtsdatum‘ der Disziplin anzusetzen ist, welche Autorinnen und Autoren zu ihr gerechnet werden können und vor allem, worum es bei der Soziologie im Kern gehen soll. In diesem Sinn geht es um eine kritische Lektüre der soziologischen Gründungstexte.

 

Sozialfiguren der Gegenwart (im WS 2020/2021)

In jeder Epoche treten Sozialfiguren auf, die in treffender Weise die gesellschaftlichen Erfahrungs- und Problemlagen der Gegenwartsgesellschaft verkörpern. Auch wenn es sich anfangs um historische Personen handelt, zu Sozialfiguren avancieren sie erst, wenn sie sich im öffentlichen Diskurs als Figuren verselbständigen. Diese Figuren strahlen eine besondere Wirkung aus, gerade weil die Gesellschaft an ihnen unverarbeitete Erfahrungen und drängende Probleme diskutiert. So verhandelt die Gegenwartsgesellschaft anhand der Sozialfigur der Klimaaktivistin – in prägender Weise durch Greta Thunberg verkörpert – welche Bedeutung der Klimaschutz erhalten und wie zukünftig mit der Umwelt umgegangen werden soll. Ein weiteres Beispiel ist die Sozialfigur des Whistleblowers – maßgeblich durch Edward Snowden geprägt –, anhand derer die Nutzung des Internets zum Staatsschutz oder zur freien Informationszirkulation verhandelt wird. Entsprechend lassen sich an den Sozialfiguren die Fragen und Probleme ‚ablesen‘, welche die betreffende Gegenwartsgesellschaft umtreibt.

Im Seminar wird zunächst erarbeitet, was Sozialfiguren sind, durch welche Eigenschaften sie sich auszeichnen und wie sie sich erforschen lassen. Anschließend werden von den Teilnehmer*innen Sozialfiguren der Gegenwartsgesellschaft ausfindig gemacht und untersucht. Dabei interessieren zum einen die gesellschaftlichen Themen, die hier in figurativer Form artikuliert werden; zum anderen soll analysiert werden, wie Sozialfiguren auftreten, in welchen Kontexten, mit welchen Charakteristika und mit welcher Wirkung.

 

Gründungstexte der Soziologie (im WS 2019/2020)

Wann wurde die Soziologie gegründet, von wem und in welchem gesellschaftlichen Kontext? Diese Fragen zur Geschichte und zu den Grundlagen des Fachs werden im Seminar bearbeitet. Das Seminar eignet sich somit, um zum Einstieg in das Studium der Soziologie einen Einblick in deren Gründungszeit zu bekommen. Im Zentrum steht dabei die Lektüre der ersten soziologischen Texte, die eine neue Wissenschaft der Gesellschaft entwerfen. Wie argumentieren diese frühen Soziologen und was ist ihre Motivation? Was verstehen sie unter ‚Gesellschaft‘, welche Methode schlagen sie zu deren Erforschung vor und worin besteht für sie die Aufgabe der Soziologie?

Ziel des Seminars ist es, die Grundlagen der Soziologie kennenzulernen und sich ein Bild davon zu machen, auf welche Weise, mit welchen Mitteln und in welchem historisch-sozialen Umfeld die Soziologie gegründet wurde. Dabei ist durchaus umstritten, wann das ‚Geburtsdatum‘ der Disziplin anzusetzen ist, welche Autorinnen und Autoren zu ihr gerechnet werden können und vor allem, worum es bei der Soziologie im Kern gehen soll. In diesem Sinn geht es um eine kritische Lektüre der soziologischen Gründungstexte.

 

Streichhölzer – Espressotassen – Kunstwerke. Zur Bedeutung der Dingpräsentation zwischen Sammelleidenschaft und öffentlicher Aufgabe (im SoSe 2018)

zusammen mit Richard Schindler

Können alle Dinge Teil einer Sammlung werden? Und sammeln wir nicht alle – ausdrücklich oder nicht – irgendetwas? Und was überhaupt ist eine Sammlung? Was zeichnet die Tätigkeit des Sammelns aus? Im Seminar wollen wir diesen Fragen nachgehen und unsere Aufmerksamkeit auf Dingpräsentationen und deren Bedeutung richten. Lassen sich Differenzen im privaten und öffentlichen Raum ausmachen und wie sind sie zu charakterisieren? Was ist – hier oder dort – wert, gesammelt zu werden? Welche Bedeutung wird der Sammlung, den Dingen und ihrer Präsentation von Seiten der privaten und öffentlichen Akteure zugesprochen? Wie lässt sich diese Bedeutung anhand der konkreten materiellen und visuellen Gestaltung künstlerisch-wissenschaftlich rekonstruieren? Gibt es Differenzen, gar Widersprüche, Ungereimtheiten zwischen erklärter Absicht und deren Realisierung?

Wie in vorausgegangenen gemeinsamen Lehrveranstaltungen möchten wir auch in diesem Seminar Textarbeit und genaue Analyse konkreter Beispiele verbinden. Dazu werden von den Studierenden auf ethnografischen Streifzügen Sammlungen dokumentiert und diese Dokumentationen daraufhin untersucht, wie sich im Zusammenspiel der Objekte deren Bedeutung konstituiert. Dabei sollen wissenschaftliche und künstlerische Sichtweisen produktiv miteinander verbunden werden. Darüber hinaus werden wir gemeinsam eine herausragende private und eine bedeutende öffentliche Sammlung anschauen und deren „Verfasser“ dazu befragen.

 

Die Außenseite des Privaten (im SoSe 2017)

zusammen mit Richard Schindler

Der öffentliche Raum, wie wir ihn heute verstehen, ist nicht nur der physikalische, der nicht-umbaute Raum, der allen Menschen zugänglich ist. Die Stadt, das Urbane, ist, wie Richard Sennett definiert, „die Chance Fremden zu begegnen“. Das heißt, der öffentliche Raum ist sozialer Raum. Und als solcher ist er Handlungsraum. Und das wiederum ist sichtbar. Der soziale Handlungsraum nämlich konstituiert sich im Umgang mit Dingen.


Traditionell verstehen wir den öffentlichen Raum als Gegensatz zum privaten Raum. Von dem aber lässt sich zeigen, dass er eine bildhafte Außenseite hat. Vielleicht ist der öffentliche Raum überhaupt am besten zu verstehen, wenn wir ihn als die nach Außen gekehrte Seite des Privaten begreifen. Diese nach Außen gekehrte Seite des Privaten hat viele Facetten: Denn das Leben der Stadt ist sichtbar gestaltet etwa durch die Art und Weise, wie wir uns kleiden, wie wir uns geben, wie wir gehen. Die unterschiedlich gestalteten Fassaden von Wohnhäusern und Vorgärten prägen das Stadtbild genauso wie die sogenannten ‚Liebesschlösser‘, die an Brücken ein öffentliches Bekenntnis privater Paarbeziehungen darstellen – um nur einige Beispiele zu nennen. Mit solchen alltäglichen Praktiken wird der Stadtraum nicht nur genutzt, sie modifizieren ihn vielmehr, modellieren und verlebendigen ihn fortwährend und machen ihn allererst zu dem, der er ist. Gerade diese – oft unscheinbaren – Dingpraktiken konstituieren den Sozialraum Stadt und vergegenwärtigen (unausgesprochene oder unaussprechliche) Verhältnisse unter Bekannten und Fremden. Und dies sowohl für den eigenen Blick, wie für den der Anderen.


Im Seminar soll diese sichtbare Außenseite des Privaten in ihren verschiedenen Erscheinungsformen untersucht werden. Nach einem ersten Lektüreteil werden im zweiten Teil ethnografische Streifzüge durch die Stadt unternommen und die Dokumentationen dann gemeinsam im Seminar analysiert.

Checkliste: Ausweis, Navi, Erdbeeren... Methoden zur Reorganisation der Dinge und des Wissens im Alltag / der Wissenschaft (im WS 2016/17)

zusammen mit Richard Schindler

Wissenschaftliches Arbeiten besteht zu erheblichem Teil darin zu ordnen: Dinge, Phänomene, Ereignisse werden kategorisch, historisch, fachlich ein- und zugeordnet. Häufig entstehen dabei Listen (der Ereignisse, der Phänomene, der Dinge). Aber auch im Alltag ist man immer wieder mit Ordnen und Sortieren beschäftigt. Und auch dabei entstehen Listen (Einkaufslisten, Gästelisten, Materiallisten). Es könnte daher durchaus sein, dass die Alltagspraxis des Ordnens auch das Verständnis wissenschaftlichen Handelns prägt – und umgekehrt. In unserem Forschungsseminar wollen wir konkrete Praktiken des Ordnens genauer anzuschauen und uns dabei auf Listen konzentrieren.

Welche Listen gibt es – wo werden sie eingesetzt? Wo in der Wissenschaft, wo im Alltag begegnen wir Listen? Wie werden sie geführt? Was zeichnet sie aus? Wozu genau dienen sie? Was ist ihre Funktion? Was macht Listen alltagstauglich? Und: Eignen sich Listen als wissenschaftliche Methode?

Wie in früheren gemeinsamen Lehrveranstaltungen möchten wir auch in diesem Seminar Textarbeit zum Thema und genaue Analyse konkreter Beispiele verbinden. Dabei sollen wissenschaftliche und künstlerische Sichtweisen produktiv miteinander verbunden werden, denn nicht zuletzt in der Kunst spielen Listen eine auffällige Rolle.

Die Gegenwartsgesellschaft auf den Begriff bringen – soziologische Zeitdiagnosen im Vergleich (WS 2015/16)

zusammen mit Prof. Ulrich Bröckling

Seit ihren Anfängen hat die Soziologie versucht, ihre Zeit auf den Begriff zu bringen und die jeweilige Gegenwartsgesellschaft zu charakterisieren. Soziologische Zeitdiagnosen spielen bis heute eine wichtige Rolle im Prozess gesellschaftlicher Selbstverständigung. Sie erreichen oftmals hohe Auflagen und wirken weit über den akademischen Diskurs hinaus in den öffentlichen Raum. Titel wie die ‚postindustrielle Gesellschaft‘ (Bell), ‚Risikogesellschaft‘ (Beck) oder ‚Multioptionsgesell­schaft’ liefern prägnante Epochensignaturen. In den sozio­logischen Zeitdiagnosen treten regelmäßig – teils sogar titelgebend – Figuren auf, die für ihre Zeit als prägend angesehen werden: der ‚Manager‘ (Burnham), der ‚Organization Man‘ (Whyte), der ‚flexible Mensch‘ (Sennett) oder der ‚verschuldete Mensch’ (Lazzarato). Dabei handelt es sich nicht um konkrete Individuen, sondern um Typen, in denen sich das gesellschaftliche Wissen über die sozialen Formungen und die Handlungsmacht des Einzelnen figurativ verdichtet. Über sie wird nicht zuletzt die Frage nach der Bedeutung des Individuums in der modernen Gesellschaft verhandelt.

Im Seminar sollen soziologische Zeitdiagnosen aus unterschiedlichen Phasen des 20. und 21. Jahrhunderts vorgestellt, verglichen und kritisch analysiert werden. Ziel der Lehrveranstaltung ist zum einen, Eigenarten des Genres soziologischer Zeitdiagnosen herauszuarbeiten und andererseits herauszulesen, auf welche gesellschaftlichen Zeiterfahrungen die Zeitdiagnosen antworten. Anders formuliert: Es geht darum, soziologisch zu beobachten, wie die Soziologie unterschiedliche Gegenwarten beobachtet hat.

Dingpraktiken II - Vom Umgang mit Dingbildern im Kontext von Heldenverehrung und Opfergedenken - Beispiel Freiburg (SoSe 2015)

zusammen mit Richard Schindler

Das Selbstverständnis ganzer Gesellschaften, aber auch kleinerer oder größerer sozialer Gruppen, orientiert und reguliert sein Zusammenleben an gemeinschaftlich geteilten Werten, wie sie explizit in Gesetzestexten, Verfassungen, aber auch Unternehmensphilosophien oder anderen diskursiven Medien formuliert sind. Daneben und zugleich artikulieren sich Werte jedoch auch im sozialen Handeln sowie im ganz alltäglichen Umgang mit natürlichen Dingen und Artefakten. Unser Forschungsinteresse gilt solchen Dingpraktiken und ihren impliziten Werthaltungen und Bedeutungsstrukturen. Dabei konzentrieren wir uns in Dingpraktiken II auf sichtbare und materiale Ausdrucksgestalten wie Denkmale, Mahnmale oder Grabmale, aber auch auf so Flüchtiges wie Graffitis oder niedergelegte Blumen.
Oft politisch aufgeladen und umstritten, besetzen oder schaffen diese Dingpraktiken prägnante Orte im Stadtbild, indem ihre architektonisch-bildnerischen Arrangements mehr oder weniger nachdrücklich Aufmerksamkeit fordern. Häufig handelt es sich um figurative Darstellungen von Helden oder Stars, aber auch von Opfern oder Repräsentanten einer sozialen oder religiösen Bewegung, mit denen an öffentlichem Ort Verehrung und Bewunderung, Gedenken und Erinnerung einzelner Menschen einen bildhaften Ausdruck finden. Wir suchen besser zu verstehen, wie sie als Realisierungsformen kollektiver Würdigungen „funktionieren“.
Zu diesem Zweck sollen zunächst in ethnografischen Streifzügen in Freiburg unterschiedlichste Formen kollektiver Würdigungen ausfindig gemacht und fotografisch dokumentiert werden. Diese Bilddokumente werden wir dann bildnerisch-wissenschaftlich analysieren und interpretieren. Dazu werden wir im Seminar eine geeignete Methode der Bildanalyse erarbeiten und in durchaus kritischer Absicht fragen, was mit den untersuchten Sachverhalten sichtbar intendiert ist und welche Aspekte sich - demgegenüber - methodisch kontrolliert als latente Sinnstruktur rekonstruieren lassen. Wie sind solche kollektiven Inszenierungen aufgebaut, wie ist das Passungsverhältnis zu ihrer Umgebung, welcher impliziten Regelstruktur folgen sie? Lassen sich historische Gestalttransformationen ausfindig machen – etwa von traditionalen Denkmälern, die konkrete Figuren heroisieren hin zu abstrakteren Konzeptionen in jüngerer Zeit – oder sehen wir uns immer nur Reproduktionen hergebrachter Ausdrucksgestalten gegenüber?
Für das Seminar ist die Teilnahme an Dingpraktiken I keine Voraussetzung, aber wünschenswert.

Die Veranstaltung ist eine Kooperation des Instituts für Soziologie der Universität Freiburg mit dem Institut für Visual Profiling, Freie Landesakademie Kunst gGmbH.

Dingpraktiken - Über den kreativen Umgang mit Dingen im Alltag (WS 2014/15)

zusammen mit Richard Schindler

Im Alltag haben wir nicht nur mit anderen Menschen, sondern auch mit unterschiedlichsten Gegenständen zu tun. Die Soziologie hat diesen Teil gesellschaftlicher Wirklichkeit lange vernachlässigt. Neuere Ansätze der Sozial- und Kulturwissenschaften haben nun ‚die Dinge‘ (wieder) entdeckt und stellen sich der Aufgabe zu beschreiben, wie wir mit Dingen umgehen und auf welche Weise sie unseren Alltag prägen. Dabei scheinen vielfältige Dingpraktiken nicht in den gängigen Kategorien und Funktionen, wie ‚Gebrauchsgegenstand‘, ‚Ware‘, ‚Müll‘ etc. aufzugehen. In diesem Seminar soll die Aufmerksamkeit gerade den Umgangsformen mit Dingen gelten, die von selbstverständlichen Zuordnungen nicht erfasst werden - weil sie banal oder ungewöhnlich, uninteressant oder kreativ, üblich oder eigenwillig sind?

In ethnografischen Streifzügen durch die Stadt sollen konkrete Praktiken mit Dingen entdeckt und (fotografisch) dokumentiert werden. Diese Dokumente werden im zweiten Seminarblock besprochen und ausgewertet (u.a. mit Methoden der visuellen Bildanalyse). Zuvor werden im ersten Block Texte gelesen und erörtert, die die Rolle der Dinge im Alltag beschreiben (etwa von Jean Baudrillard, Michel de Certeau, Bruno Latour u.a.). Das Seminar ist ein Versuch, theoretische Anregungen aus der Textlektüre mit genauen Mikroanalysen empirischer Funde zu verbinden. Dabei versprechen wir uns gerade vom besonders genauen Hinschauen neue Einblicke in den alltäglich außeralltäglichen Umgang mit Dingen, die uns umgeben.

Die Veranstaltung ist eine Kooperation des Instituts für Soziologie der Universität Freiburg mit dem Institut für Visual Profiling, Freie Landesakademie Kunst gGmbH.

Metaphern der Gesellschaft: Organismus, Maschine, Theater, Netzwerk (WS 2012/13)

zusammen mit Prof. Ulrich Bröckling

Der Gegenstand der Soziologie – ‚die Gesellschaft‘ – ist als solcher nur schwer greifbar und schon gar nicht in irgendeiner Weise überschaubar. Um die Einheit des Sozialen auszudrücken, greifen soziologische Theorien daher auf Metaphern zurück und beschreiben Gesellschaft etwa als ‚sozialen Organismus‘, als ‚Netzwerk‘ oder sie schreiben im Sinne der Theater-Metaphorik von ‚sozialen Akteuren, Rollen und Inszenierungen‘. Solche metaphorischen Ausdrücke finden sich in allen soziologischen Texten. Sie setzen die Gesellschaft nicht nur ins Bild, sondern prägen auch auf ihre je spezifische Weise den Gegenstandsbereich der Soziologie und nehmen damit letztlich auch Einfluss auf die soziologische Theoriebildung. Im Gegensatz zu der Annahme, es handele sich bei Metaphern lediglich um ‚sprachliche Zierden oder Ausschmückungen‘, ist vielmehr davon auszugehen, dass sie eine konstitutive Rolle in der soziologischen Theoriebildung spielen, indem sie mit bestimmen, welche Fragen gestellt werden, welche Argumente evident erscheinen und welche Lösungswege eingeschlagen werden – und welche nicht.

 Im Seminar sollen ausgewählte Gesellschaftstheorien vorgestellt und anhand ihrer Leitmetaphern miteinander verglichen werden. Es wird darum gehen, die zentralen Metaphern der entsprechenden soziologischen Theorien herauszuarbeiten und zu untersuchen, welche Theorieeffekte sie erzielen. Außer der grundlegenderen Frage, welche Rolle Metaphern in der soziologischen Theoriebildung spielen, wird uns genauer die Frage danach, wann welche Metaphern in den soziologischen Theorien auftauchen und welchen Einfluss sie in der Theoriebildung ausüben, beschäftigen.

Multilokalität und Grenzen. Heutige räumliche Praxis, Ungleichheit und Identität anders denken (SoSe 2012)

zusammen mit Dr. Cédric Duchêne-Lacroix

Immer mehr Menschen führen heute ein multilokales Leben. Sie arbeiten an einem ersten Ort, wohnen an einem zweiten oder haben dort ihre Familie und verbringen ihre Freizeit wieder andernorts. Die neuen Kommunikations- und Mobilitätstechnologien erlauben es, immer mehr und immer entferntere Lebensorte miteinander zu verbinden. Dennoch kann man physisch nur jeweils an einem Ort sein und im alltäglichen Leben bleiben weiterhin konkrete Lokalisierungs- und Territorialisierungsprozesse wichtig. Dabei gehören das Überqueren von geografischen Grenzen und die Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Formen soziokultureller Abgrenzungen zum multilokalen Alltag. Wie kann multilokales Leben soziologisch adäquat beschrieben werden? Mit den verfügbaren sozialwissenschaftlichen Begriffen, Modellen und Theorien lassen sich die sozialen Praxen multilokaler Lebensentwürfe nur ungenügend fassen. Im Seminar sollen vielmehr gängige soziologische Kategorien und Selbstverständnisse hinterfragt (z.B. die Zuordnung einer sozialen Gruppe zu einem homogenen Raum) und zur eigenen Theoriebildung eingeladen werden (Archipelisierung, Transnationale Soziale Räume etc.). Ein thematischer Schwerpunkt liegt dabei auf der Frage nach Grenzen, weil sie in multilokalen Lebenssituationen eine wichtige Rolle spielen.

Netzwerktheorien (SoSe 2010)

zusammen mit Dr. Doris Schweitzer

Das Netzwerk ist heutzutage in aller Munde – sei es als soziales Netzwerk, globale Vernetzung, Netzwerke persönlicher Beziehungen oder etwa als Netzwerkgesellschaft. Aus soziologischer Perspektive sind Netzwerke insbesondere in zweierlei Hinsicht von Interesse: Zum einen ist mit dem Netzwerk der Anspruch verbunden, die gegenwärtige soziale Form bzw. Struktur als Netzwerkgesellschaft zu beschreiben. Zum anderen werden Netzwerke als soziologische Instrumente eingesetzt, prominent etwa in der sozialen Netzwerkanalyse. Im Seminar werden einschlägige Netzwerktheorien und deren jeweiliges Konzept des ‚Netzwerks’ erarbeitet und verglichen. Dies soll anhand der Textlektüre von Autoren wie Simmel. Levy Moreno, Barnes, Granovetter, Serres, Castells, Latour et al. geschehen, wobei das Augenmerk insbesondere auf die jeweiligen Einsatzbereiche des Netzwerkbegriffs (technisch, sozial, diagnostisch, epistemisch etc.) gerichtet wird. Ziel ist es, die Entwicklung des Netzwerk-Konzepts zu verfolgen sowie die unterschiedlichen Verständnisse von ‚Netzwerk’ voneinander abzugrenzen, um sich damit eine Orientierung in der Vielzahl der soziologischen Verwendungsweisen des Netzwerks zu verschaffen.