Von der Macht des Untergangs – Politiken der Apokalypse
Deutschlandfunk, So, 28.01., 09:30 Uhr
Essay und Diskurs
Von der Macht des Untergangs – Politiken der Apokalypse
Von Ulrich Bröckling
Offensichtlich nichts! Fast nichts. Denn das Handeln des russischen Machthabers ist wie die Ideenwelt der Bewegung gegen den Klimawandel imprägniert von der Logik des Untergangs. Neuere Politikformen, die mit apokalyptischen Denkmotiven handeln oder gar regieren, unterscheiden sich von den klassischen, etwa biblischen Erzählungen der Apokalypse dadurch, dass sie bereit sind, die Logik des Untergangs ohne Erlösung zu denken. Dies erweist sich als folgenreich: Zum einen führt diese in unsere Selbst- und Weltverhältnisse eingeschriebene Erzählung zu einem zunehmend verzweifelten Agieren, stützt aber eben auch autoritäres Durchregieren bis hin zum Terror des Krieges in der Ukraine. Damit geraten politische Praktiken, die sich auf diese Art der Apokalypse stützen, in die Nähe einer zynischen Lust am Untergang. Dem gegenüber gilt es, ein Ethos der Sorge zu etablieren, dass sich weigert, schlimme Entwicklungen als Untergang zu denken.
Ulrich Bröckling lehrt Kultursoziologie an der Universität Freiburg, ist Mitherausgeber der Zeitschrift „Leviathan – Berliner Zeitschrift für Sozialwissenschaft“. Mit Büchern wie „Gute Hirten führen sanft“ (2017) und „Postheroische Helden“ (2020) hat er wesentliche Analysen von Machttechnologien vorgelegt. Der vorliegende Essay ist eine leicht überarbeitete und gekürzte Version des Artikels „Untergang als Argument. Politiken der Apokalypse“, erschienen im September 2023 auf dem sozialwissenschaftlichen Internetportal „Soziopolis“.