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Gegenzüge. Der Materialismus des Selbst und seine Ausgrenzung aus dem Marxismus

Eine Studie über die Kontroverse zwischen Max Stirner und Karl Marx
mit einem Anhang: Sexualität und Gesellschaftstheorie

Frankfurt am Main: Materialis-Verlag, 1982 (Materialis-Programm; MP 20: Kollektion Philosophie, Ökonomie, Politik), 340 S.
(Erweiterte Neuauflage von: Die Bedeutung Max Stirners für die Genese des historischen Materialismus. Zur Rekonstruktion der Kontroverse zwischen Karl Marx, Friedrich Engels und Max Stirner, Diss. Phil. Uni Göttingen (Diss. Druck), 1978, 321 S.) 


Kurz umrissen:

„Solange auch nur Eine Institution noch besteht, welche der Einzelne nicht auflösen darf, ist die Eigenheit und Stelbsangehörigkeit Meiner noch sehr fern“, schrieb er 1844, Max Stirner nannte er sich, und er gehört zu den verfemtesten Gestalten oppositioneller Intelligenz in Deutschland: ‘philosophischer Wirrkopf’, ‘absurder Individualanarchist’, ‘faschistischer Kleinbürger’, ‘Monstrum’.
Ernst genommen haben ihn seine zeitgenössischen Kampfgefährten Karl Marx und Friedrich Engels. Denn dieser Stirner, den sie Sancho Pasa nannten, zwang sie mit seinem beißenden Hohn über alle Ideologie, die schönen Illusionen bloß moralisierender Menschheitsfreunde aufzugeben. Stirner gilt es zu entdecken als Geburtshelfer und böse Fee an der Wiege des Marxismus.
Das Marx’sche Projekt der Emanzipation entsteht aber auch gegen Stirner: „In der gegenwärtigen Epoche hat die Herrschaft der sachlichen Verhältnisse über die Individuen, die Erdrückung der Individualität durch die Zufälligkeit, ihre schärfste und universellste Form erhalten und damit den existierenden Individuen eine ganz bestimmte Aufgabe gestellt. ... Sie hat nicht wie Sancho sich einbildet, die Forderung gestellt, daß ‘Ich Mich entwickle’, was jedes Individuum bis jetzt ohne Sanchos Rat getan hat.“
Und wo bleibt da die „Selbstangehörigkeit Meiner“, fragt Stirner. „Nur Teil haben kann der Einzelne an der Stiftung des Gottesreiches oder, nach moderner Vorstellung von derselben Sache, an der Entwicklung und Geschichte der Menschheit, und nur soweit er daran Teil hat, kommt ihm ein christlicher oder, nach modernem Ausdruck, ein menschlicher Wert zu, im Übrigen ist er Staub und ein Madensack ... Was, bin Ich dazu in der Welt, um Ideen zu  realisieren? ... Ich lebe sowenig nach einem Berufe, als die Blume nach einem Berufe lebt und duftet.“
In diesem Buch geht es um die Intimität und Heterologie von zwei Weisen gesellschaftlicher Argumentation: Max Stirners Materialismus des Selbst und Karl Marx’ Materialismus der Verhältnisse und ihrer Geschichte. Und wer heute den Diskussionen der Oppositionellen unserer Zeit genau zuhört, wird beide Charaktere mühelos wiederfinden: readikale Reform oder Aussteigen – „Sich selbst realisieren“ oder die Unvernunft der sozialen Ordnung beseitigen. Dies Buch kann helfen, sowohl die Nähe wie die nicht zu „vereinheitlichende“ oder zu „vermittelnde“ Differenz beider Haltungen besser zu begreifen.  


Inhalt:

Vorwort

Einleitung

    1. Methode und Ziele der Untersuchung
    2. Eingrenzungen für Themenstellung und Untersuchungsbereich im Zusammenhang bisheriger Forschungen
      a) Eingrenzungen zu Stirner
      b) Eingrenzungen zur „Deutschen Ideologie“
      c) Zur bisherigen Forschung über die Kontroverse
    3. Überblick über den Gang der Untersuchung

Erstes Kapitel: Die Ausgangslage der Kontroverse im Kontext des Junghegelianismus

    1. Junghegelianische Fraktionen
    2. Die Fraktionslinien des Jahres 1844
      a) „Die Geheimnisse von Paris“
      b) Die Ablehnung des Bauerschen Konzepts der „reinen Kritik“
      c) Stirners Haltung zur Bauerschen Opposition von „Geist“ und „Masse“
    3. Stirners Radikalisierung der Feuerbachschen Methode

Zweites Kapitel: Antiidealistische Polemik und Strategien der Desillusionierung

    1. Die Ohnmacht der Spekulation
    2. Stirners Kritik der Aufklärungsvernunft
    3. Überbietung der Strinerschen Kritik durch Marx und Engels
    4. Differenzen über das Weitertreiben der Religionskritik
    5. Formen der Erfahrung von Wahnsinn
    6. Die Aufgabe des Desiderats „Verwirklichung der Philosophie“
    7. Sprachkritik und neue Sprache

Drittes Kapitel: Materialismus des Selbst und Materialismus der Verhältnisse

    1. Zwei Weisen materialistischer Fundierung
    2. Stirners Materialismus des Selbst
      a) Nominalismus, Sterblichkeit und Selbstkohärenz
      b) Zur Psychoanalyse des Narzißmus (Freud, Kohut)
      c) Aufnahme der Narzißmustheorie für die Präzisierung von Stirners Auffassungen
    3. Marx’ und Engels’ Materialismus der Verhältnisse
      a) Kernpunkte der Polemik von Marx und Engels
      b) Stiners ‘Ich’ als Hegels ‘unglückliches Bewußtsein’
      c) Theoretische Folgeprobleme der Polemik
      d) Präzisierung des Materialismus der Verhältnisse – Anschluß an Stirner oder Feuerbach?
    4. Relevante Problemzonen beider Ansätze

Viertes Kapitel: Leiderfahrungen und Prioritäten von Kritik und Praxis

    1. Leiderfahrungen und Materialismusauffassung
      a) Herrschaft und Souveränität – das Leiden an Unterdrückung
      b) Not und Bedürfnis – das Leiden an der Trennung von den Mitteln zur Reproduktion des Lebens
    2. Unterdrückung und Ausbeutung – Staat und Gesellschaft in derr gegenseitigen Polemik
      a) Stirners Kritik der bürgerlichen Gesellschaft
      b) Stirner als Vertreter des Bourgeoisegoismus?
      c) Stirners Erwiderung auf Hess
      d) Weder Egoismus noch Aufopferung
    3. Die Genesis des Kleinbürger-Theorems und Problemreste der „Deutschen Ideologie“
    4. Teil und Selbst

Schluß

Anmerkungen
Literaturverzeichnis
Anhang: Sexualität und Gesellschaftstheorie
Personenregister 


Rezension:

  • Treusch-Dieter, Gerburg

  • als «Kritik im Handgemenge oder Analyse einer folie à deux. Zur Kontroverse zwischen Max Stirner und Karl Marx», in: Ästhetik und Kommunikation, H. 51, Juni 1983, S. 111-127.