Ethnologie und Anthropologie in der Zwischenkriegszeit
Publikationen
- Keller, Thomas und Eßbach, Wolfgang (Hg.): Leben und Geschichte. Anthropologische und ethnologische Diskurse der Zwischenkriegszeit, München 2006.
- Wolfgang Eßbach, Joachim Fischer, Helmut Lethen: Plessners "Grenzen der Gemeinschaften": Eine Debatte, Frankfurt/Main (Suhrkamp) 2002.
Tagungen
Colloque Freiburg/Strasbourg 24/25 novembre 2000
Geschichtstheorien und -philosophien in Deutschland und Frankreich der Zwischenkriegszeit/
Théories et philosophies de l’histoire en France et en Allemagne dans l’entre-deux-guerres
Die deutsch-französischen Beziehungen der Zwischenkriegszeit lassen sich in Hinblick auf Philosophien und Theorien der Geschichte nicht nur als Konfrontation zweier antagonistischer Konzeptionen von Kultur aufschlüsseln - in der Weise, daß ein differentialistische (kulturalistisch oder sogar rassistisch fundierte) Ideologie auf einen von Franzosen vertretenen Universalismus trifft. Vielmehr findet in der Zwischenkriegszeit auch eine Ausbreitung des historistischen Paradigma statt.
Sowohl der an Herder orientierte kulturpluralistische und tendenziell kontingenzfreundliche Historismus als auch der sich auf Gesetzmäßigkeiten berufenden Histori(zi)smus sind zwar unter Ideologieverdacht geraten. Diese Denkformen hätten anti-humanistischen Differentialismen und Determinismen den Weg geebnet. Indes kann dieser Verdacht den langfristigen internationalen Erfolg historistischen Denkens nicht aufhalten - man denke nur an das Aufgreifen historistischen Denkens in der amerikanischen Kulturanthropologie bis hin zu UNESCO-Konzepten. Indizien für die Umformung historistischer Konzepte in einen westlichen Historismus und eine Theorie der Interkulturalität sind jüngste Veröffentlichungen wie Historismus in den Kulturwissenschaften, Westliches Geschichtsdenken, Die Vielfalt der Kulturen.
Der Historismus internationalisiert sich nun nicht erst nach 1945. Bereits im Europa der Zwischenkriegszeit setzt eine Offensive historistischen Denkens ein. Sie verdankt sich der Krise der liberalen Systeme, die eine Suche nach dem Konkreten auslöst. Jene Suche treibt Intellektuelle unterschiedlichster Couleur um. Die Ausbreitung des Historismus ist indes für die deutsch-angelsächsische Schiene weit besser dokumentiert als für deutsch-französische Verhältnisse. Das Kolloquium will deshalb sowohl die verschiedenen Geschichtstheorien und -philosohien in beiden Ländern aufeinander beziehen als auch den Wissenstransfer der dreißiger Jahre zwischen Deutschland und Frankreich in den Vordergrund rücken.
Dabei soll die etwa von Meinecke vorgebrachte Behauptung, der kulturelle Besonderheit überhöhende Historismus sei mit biologistischen Weltbildern unvereinbar, durchaus ernst genommen werden. Die Modernisierungspotentiale jüngerer Historiker zeigen auch andere Möglichkeiten, etwa Alltagsgeschichte, um auf zweifelhafte Weise zwischen 1933 und 1945 politisch tätig zu werden. Aber nicht in erster Linie unter dem Gesichtspunkt der politischen Kompromittierung, sondern als Sondierung der Tendenzen der Geschichtstheorie soll ein breiteres Spektrum von Suchbewegungen sichtbar gemacht werden: Alltagsgeschichte, Volksgeschichte, Regionalgeschichte, Mentalitätengeschichte, Kritik der historischen Vernunft, dezisionistische Geschichtskonzepte, totalisierende Geschichtsphilosophien... Die Trends sollen dabei nach Möglichkeit auf deutsch-französische Kontexte bezogen werden.
Die Spaltung in totalisierende Geschichtsphilosphien und eine anti-hegelianisch-kontingenzfreundliche Orientierung, die sich in der Weimarer Republik vollzieht, findet eine Wiederauflage in französischen Kontexten. So treffen sowohl der kleindeutsch-nationalstaatlich orientierte Historismus von Meinecke als auch Homologien zwischen gesellschaftlicher Situiertheit und Geschichte (historistische Wissenssoziologien) in Frankreich auf Vorbehalte. Die Einwände all jener, die den zur Zukunft hin offenen Verlauf der Geschichte betonen, können auf Diltheys Projekt einer „dritten Kritik“ - derjenigen der historischen Vernunft - zurückkommen. Insbesondere durch Raymond Aron erfolgt ein Transfer des historistischen Projekts. Das Hegel-Seminar von Kojève spielt hierbei die Rolle eines Katalysators. Es befördert totalisierende und schließende Geschichtsphilosophien und legitimiert Gewalt, die in der „objektiven“ Entwicklung liegt. Aber auch in Frankreich entstehen dezisionistische und polemische Konzepte, die Auswege aus Wertrelativismus und geschichtlicher Kausalität bzw. Fatalität weisen sollen.
GESCHICHTSTHEORIEN UND -PHILOSOPHIEN DER ZWISCHENKRIEGSZEIT | THEORIES ET PHILOSOPHIES DE L’HISTOIRE DANS L’ENTRE-DEUX-GUERRES |
Vendredi le 24 novembre: Centre Culturel St.Thomas, 2, Rue de la Carpe Haute, | ||
14 h 00 | Gérard Raulet (Paris) | Introduction: Discours historicistes de la République de Weimar |
14 h 45 | Harald Hauri (Freiburg) | Geschichtstheorie und Theologie |
15 h 30 | Barbara Beßlich (Freiburg) | Thomas Manns Spengler-Rezeption |
16 h 15 | Pause | |
16 h 45 | Egbert Klautke (Berlin) | Geschichtstheorie als Volks-/Völkertheorie |
17 h 30 | Wolfgang Eßbach (Freiburg) | Autonomie oder Souveränität |
Samstag, den 25. November: Albert-Ludwigs-Universität Freiburg | ||
11 h 00 | Tobias Korta (Freiburg) | Kracauers Abkehr von der Geschichtsphilosophie |
11 h 45 | Horst W.Blanke (Bielefeld) | Progressive History. Historismus und Historismuskritik. Transatlantische Wissenschaftsbeziehungen in der Zwischenkriegszeit zwischen Eduard Fueter und Harry Elmer Barnes |
12 h 30 | Imbiß | |
13 h 00 | Peter Schöttler (Berlin) | Marc Bloch und Lucien Febvre als Kritiker der Geschichtsphilosophie |
13 h 45 | Thomas Keller (Aix/Strasbourg) | La critique de la raison historique de Raymond Aron |
Colloque - Paris, 10/11 dècembre 1999
PROGRAMM:
vendredi, 10 dècembre 1999, 9h30 - MSH, salle 214
Wolfgang Eßbach / Thomas Keller Introduction / Einleitung Joachim Fischer Schöpferische Intelligenz in Deutschland (1933-45) Wolfgang Eßbach Umwelt und Lebensstil, die Kulturanthropologie Erich Rothackers
vendredi, 10 dècembre 1999, 15 h - MSH, salle 214
Gregor Fitzi | Der Vitalismus von Driesch und der frühe Plessner |
Helmut Lethen | Uexküll, Benn und Gehlen |
Camille Tarot | Holisme du Durkheim, individualisme de Mauss? |
Michael Weingarten | Merleau-Ponty und die deutsche Anthropologie |
samedi, 11 dècembre 1999, 9h30 - MSH, salle 214
Nadine Kiker | L'espace chez Canetti vu sous l'angle du concept braudélien de ''géohistoire'' |
Guido Müller | Le Corbusier, Hans Driesch und der Europäische Kulturbund |
Kolloquium
Historistische Diskurse in der Anthropologie und Ethnologie der Zwischenkriegszeit
FRANKREICH-ZENTRUM UNIVERSITÄT FREIBURG
LABORATOIRE DE SOCIOLOGIE DE LA CULTURE EUROPEENNE/
UNIVERSITE DES SCIENCES HUMAINES DE STRASBOURG (CNRS UPRESA 7043)
MAISON DES SCIENCES DE L’HOMME/GROUPE DE RECHERCHE „CULTURE DE WEIMAR“ (PARIS)
07./08. Mai 1999im Institut für Soziologie, Albert-Ludwigs-Universität Rempartstraße 15, 79085 Freiburg i. Br. Tel. (0049) 0761-203-3490
PROGRAMM: Freitag, 07. Mai 199914.00 Uhr | Begrüßung | |
14.30 Uhr | MichaelWEINGARTEN (Marburg) | - Über einen Chiasmus: Tönnies (Gemeinschaft/Gesellschaft) und Durkheim (organisch/mechanisch) |
15.30 Uhr | Gérard RAULET (Paris) | - Anthropologie als "plausible Historie". Zum Vorgang der Ontogenese beim späten Freud |
16.30 Uhr | Pause | |
17.00 Uhr | Nadine KIKER (Rennes) | - L'anthropologie dans "Masse und Macht" d' Elias Canetti |
18.00 Uhr | Marie-Anne LESCOURRET (Strasbourg) | - Marc Bloch et l'historisme |
Samstag, 08. Mai 1999
10.00 Uhr | Stefan KAUFMANN (Freiburg) | - "Géohistoire" als Strukturgeschichte |
11.00 Uhr | Dominik SCHRAGE (Berlin) | - Modellierung "erlebter Räume" nach der Krise der Anschauung |
Diskussionsbeiträge von Helmut LETHEN (Rostock)
Joachim FISCHER (Göttingen) Patrick WATIER (Strasbourg)
Colloque
Discours historistes dans l' anthropologie et l'ethnologie de l'entre-deux-guerres
Laboratoire de sociologie de la culture europeenne / Université des Sciences Humaines de Strasbourg
(CNRS UPRESA 7043)
- L'interculturel en theorie et en pratique (Thomas Keller)
- Frankreich-Zentrum Universität Freiburg (Wolfgang Eßbach)
- Maison des sciences de l'homme/groupe de recherche "culture de Weimar" (Paris) (Girard Raulet)
du 23 au 24 octobre 1998 au centre culturel St. Thomas
2, rue de la Carpe Haute
67000 Strasbourg-Robertsau
Tel.: 03.88.31.19.14
PROGRAMME:
Michael Weingarten (Universität Marburg)
" Naturalisierungen des Menschenbildes - Vitalismus, Primatenforschung und philosophische
Anthropologie in ihrem antithetischem Verhältnis zum Darwinismus"
Gregor Fitzi (Universität Bielefeld)
" Simmel und Bergson"
Michael Makropoulos (Universität Würzburg)
"Kontingenzkultur. Zum Selbstverständnis klassischer Modernitäten"
Joachim Fischer (Universität Göttingen)
"Mann ohne Eigenschaften" (Musil) und "Exzentrische Positionalität" (Plessner). Figuren der
zwanziger Jahre
Lyliane Deroche-Gurcel (Université des Sciences Humaines de Strasbourg):
" L' anthropologie des conflits: les transferts polémologiques de Georg Simmel, Carl Schmitt,
Raymond Aron et Julien Freund"
Antje Kapust (Universität Bochum)
"Transformation der Diskurse des Polemologischen"
Wolfgang Bialas (Universität Potsdam)
"Philosophische Anthropologie im Nationalsozialismus"
Marie-Anne Lescourret (Université des Sciences Humaines de Strasbourg)
"Levinas: La critique de la réciprocité"
Jaques Dewitte (Berlin)
"Anthropologie de la précarité ou anthropologie de la libéralité: deux directions fondamentales
de l'anthropologie philosophique"
Thomas Keller (Université des Sciences Humaines de Strasbourg)
"Antagonistische Stilbildung (Mühlmann) - Cultural Schismogenesis (Bateson) - Acculturation antagoniste
(Devereux, Dumont)"
angefragt:
Helmut Lethen (Universität Rostock)
Camille Tarot (Université de Caen)
Daniel Cefai (Université de Nanterre)