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Seminarplattform zur qualitativen Pilotstudie:"Beziehung, Partnerschaft, Familiengründung"

Familienbildungsprozesse in gegengeschlechtlichen Partnerschaften

Seminarleiter: Dr. Jan Kruse

Erhebungsphase 1. Welle: Sommersemester 2005
Auswertungsphase 1. Welle: Wintersemester 2005/2006

Erhebungsphase 2. Welle: Sommersemester 2006
Auswertungsphase 2. Welle: Wintersemester 2006/2007

Erhebungsphase 3. Welle: Sommersemester 2007
Auswertungsphase 3. Welle: Wintersemester 2007/2008

Materialien

Die Entscheidung für oder gegen ein Kind, also die Entscheidung für oder gegen eine Familiengründung oder auch Familienerweiterung ist – im „Normalfall“ – nicht die alleinige Entscheidung einer Frau – auch wenn diese es ist, die schwanger wird, das Kind austrägt und zur Welt bringt – und auch nicht allein die Entscheidung eines Mannes, der Vater werden möchte. Die Entscheidung für oder gegen eine Familiengründung resp. -erweiterung findet – in der Regel – stets im Kontext einer Partnerschaft statt.

Der Bereich der Familienplanung war lange Zeit in der Familiensoziologie ein Thema, das fast ausschließlich aus der Perspektive von Frauen erforscht wurde; Männer bildeten hierbei „das vernachlässigte Geschlecht in der Familienforschung“ (Tölke/Hank 2005). Inzwischen hat sich dies zwar grundlegend geändert: Reproduktive Biografieplanung aus der Perspektive von Männern ist zu einem weiten Feld der Familienforschung geworden, gerade auch in dem Zusammenhang der Erforschung von Kinderlosigkeit, bei der untersucht wird, wie die reproduktive Biografiegestaltung von Männern dazu beitragen, dass Partnerschaften eine Familiengründung aufschieben oder gar kinderlos bleiben (vgl. Bien/Marbach 2003; Tölke/Diewald 2003; Helfferich/Klindworth/Wunderlich 2004; Tölke/Hank 2005; Schmitt 2005).

Dennoch hat die Paarperspektive in Untersuchungen zum Familienplanungsverhalten von Männern und Frauen bislang immer noch selten systematische Berücksichtigung gefunden (vgl. Simm/Kaufmann/Strohmeier 1987; Cuyvers 2000; Bien/Marbach 2003; Klein 2003; Kurz 2005; Andersson et al. 2005). Im Rahmen standardisierter Forschung ist dies oftmals darauf zurückzuführen, dass in den Datensätzen umfassende Informationen über beide Partnern nicht vorliegen, die es erlauben, Familienentscheidungsprozesse konsequent aus der Paarperspektive zu analysieren. Zudem stellt die Komplexität und Temporalität der Entscheidungsfindungsprozesse auf der Paarebene ein Problem dar, dies in methodischer Hinsicht systematisch standardisiert zu erfassen.

Die Entscheidung für oder gegen ein Kind bzw. Kinder findet in dem Kontext von mehr oder weniger komplexen, teils bewussten, teils nicht bewussten Kommunikations- und Aushandlungsprozessen statt. Hierbei gilt es für die Partner, ihre Lebensvorstellungen, Gewohnheiten („habits“) und Biografieentwürfe aufeinander abzustimmen, zu synchronisieren, um so einen Konsens über den gemeinsamen Zeitpunkt („Timing“) für die Familiengründung oder -erweiterung zu entwickeln. Dabei kann es aber auch zu Interessenskonflikten kommen, so dass es nicht gelingt, einen Konsens herzustellen: Was ist wenn Sie jetzt will, aber Er noch nicht und zu einem späteren Zeitpunkt dann Er aber Sie nicht usw.? Ein Zitat aus einem qualitativen Interview aus der Studie „männer leben – eine Studie zu Lebensläufen und Familienplanung“ (Helfferich/Klindworth/Wunderlich 2004; Helfferich/Klindworth/Kruse, im Ersch.) soll dies illustrieren:

„Dass dann im Laufe der Zeit mal jemand den Kinderwunsch hatte, das war dann immer mal zwischen durch alle zwei, drei Jahre mal hatte ich mal ein Kinderwunsch, solln-wir-nich-vielleicht doch mal ein Kind. Dann hatte meine Frau, war dann im Beruf ein bisschen engagierter, sagte, nö sie möchte nich. Dann war’s mal wieder umgekehrt. Dann war’s mal meine Frau mal wieder, gesagt, ach soll’n wir nich mal Kinder kriegen, is vielleicht so weit. Dann wollte ich nich, weil wir durch die Hobbys immer mit dem Reisen und wir haben viel mit Galopprennen gemacht. Und dann ham ich gesagt, ach nee.“

Doch auch wenn sich ein solches Muster partnerschaftlicher Aushandlungsprozesse von Familienplanung empirisch rekonstruieren lässt, stellt dies möglicherweise dennoch bereits eine theoretisch verkürzende Konstruktion dar, denn die „Planung“ einer Familiengründung resp. -erweiterung kann auch ganz anders aussehen: Sie kann sich sehr „ungeplant“ ergeben oder auch durch ein sehr geringes Aushandlungspotenzial zwischen den Partnern gekennzeichnet sein.

Trotzdem gilt es näher zu untersuchen, inwieweit Entscheidungen für oder gegen ein Kind bzw. Kinder mit partnerschaftlichen Interaktions- und Entscheidungsprozessen zusammenhängen, wie diese genauer aussehen, und von welchen weiteren Kontextvariablen dies alles abhängen kann: Wie gestaltet sich das Partnerwahlverhalten, gerade auch in Hinblick auf die Realisierung von Kinderwünschen? (vgl. Klein 1999, 2001, 2003) Gibt es spezifische partnerschaftliche Aushandlungs- und Kommunikationsstile und welche Effekte haben diese auf die reproduktive Biografieplanung? Lassen sich geschlechtlich spezifische Durchsetzungs- oder Verweigerungsstrategien rekonstruieren? (vgl. Thomson/Hoem 1998/Cuyvers 2000;) Zeigen sich Bildungs-, Alterseffekte? (vgl. Klein/Rueffer 1999; Huinink 2000; Helfferich/Klindworth/Wunderlich 2004) Welche Auswirkungen haben die beruflichen Ambitionen, Stellungen und Aussichten der Partner und wie werden die Bedeutung und Vereinbarung von Ausbildung und Beruf im Zusammenhang mit Familienplanungsentscheidungen auf der partnerschaftlichen Ebene verhandelt? (vgl. Tölke/Hank 2003; Kühn 2004)

Zu all diesen Fragen liegen teilweise noch keine ausreichenden Erkenntnisse vor (vgl. hierzu auch den DFG-Schwerpunkt „Beziehungs- und Familienentwicklung (pairfam)“, so dass sich auch noch kein systematisches Gesamtbild der Bedeutung partnerschaftlicher Aushandlungsprozesse in Hinblick auf die Realisierung von Familiegründung und -erweiterung abzeichnet.

Ziel der qualitativen Pilotstudie „Beziehung, Partnerschaft, Familiengründung“ ist es somit, in explorativer Weise weitere Erkenntnisse über die skizzierten möglichen Dimensionen partnerschaftlicher Entscheidungs- und Aushandlungsprozesse von Familienplanung zu gewinnen, gerade auch in Bezug auf die Vorbereitung einer umfassenderen sowohl standardisierten als auch qualitativen Studie. Dies darf aber nicht dahingehend missverstanden werden, dass sich das qualitative Grunddesign allein aus einem explorativen Forschungs- und Erkenntnisinteresse ergibt: Die Pilotstudie präferiert einen rekonstruktiven Forschungsansatz (vgl. Bohnsack 2000), um der Komplexität partnerschaftlicher Entscheidungs- und Aushandlungsprozesse empirisch gerecht zu werden.

Die qualitative Pilotstudie wird im Rahmen des zweisemestrigen Forschungspraktikums „Einführung in die qualitative Interviewforschung“ am Institut für Soziologie an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg durch die Seminarteilnehmer und -teilnehmerinnen unter der Leitung von Dr. Jan Kruse durchgeführt.

Literatur:

Andersson, Gunnar et al. (2005): Erwerbsstatus und Familienentwicklung in Schweden aus paarbezogener Perspektive. In: Tölke, Angelika/Hank, Karsten (Hg.): Männer – Das vernachlässigte Geschlecht in der Familienforschung, in: Zeitschrift für Familienforschung (ZfF), Sonderheft 4, Wiesbaden: VS-Verlag, S. 220-234

Bien, Walter/Marbach, Jan H. (Hg.): Partnerschaft und Familiengründung. Ergebnisse der dritten Welle des Familien-Survey. Opladen: Leske u. Budrich, S. 349-384

Cuyvers, Peter (2000): Partnerinteraktion und reproduktive Entscheidung in den Niederlanden. In: Familienplanung und Lebensläufe von Frauen. Kontinuitäten und Wandel. Dokumentation der gleichnamigen Tagung vom 27.-29.2.2000. Köln: BZgA, S. 61ff.

Helfferich, Cornelia/Kruse, Jan (2006): Familienplanungskonzepte von Männern im Geschlechterfokus; In: FreiburgerFrauenStudien 18 (im Druck)

Helfferich, Cornelia/Kruse, Jan (2005): Familienplanung von Männern – eine Frauensache? Die subjektive Wahrnehmung der ‚Planbarkeit‘ von Familie im Leben von Männern; In: BZgA (Hrsg.): „männer leben“ – ein anderer Blick auf den Geburtenrückgang, Dokumentation der Fachtagung 12.-13.09.2004 in Freiburg, Köln/BZgA, S. 72-83 (beziehbar über www.bzga.de)

Helfferich, Cornelia/Klindworth, Heike/Wunderlich, Holger (2004): männer leben. Eine Studie zu Lebensläufen und Familienplanung. Basisbericht. Köln: BZgA (Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung)

Helfferich, Cornelia/Klindworth, Heike/Kruse, Jan (2006): männer leben. Eine Studie zu Lebensläufen und Familienplanung. Vertiefungsbericht. Köln: BZgA

Huinink, Johannes (2000): Bildung und Familienentwicklung im Lebensverlauf. In: Zeitschrift für Erziehungswissenschaft, 3. Jg. H. 2, S. 209-227

Institut für Demoskopie Allensbach (2004): Einflussfaktoren auf die Geburtenrate. Ergebnisse einer Repräsentativbefragung der 18- bis 44jährigen Bevölkerung. Institut für Demoskopie Allensbach, Allensbach am Bodensee

Klein, Thomas/Rueffer, Wolfgang (1999): Bildungshomogamie im internationalen Vergleich: empirische Untersuchungen für die USA, Österreich, Ungarn und Deutschland. In: Zeitschrift für Familienforschung, 11. Jg. H. 2, S. 28-58

Klein, Thomas (1999): Partnerschaft im Wandel. Würzburg: Ergon

Klein, Thomas (Hg.) (2001): Partnerwahl und Heiratsmuster: sozialstrukturelle Voraussetzungen der Liebe. Opladen: Leske und Budrich

Klein, Thomas (2003): Die Geburt von Kindern in paarbezogener Perspektive. In: Zeitschrift für Soziologie, 32. Jg. H. 6, S. 506 -527

Kühn, Thomas (2004): Berufsbiografie und Familiengründung. Biografiegestaltung junger Erwachsener nach Abschluss der Berufsausbildung. Wiesbaden: VS-Verlag

Kurz, Karin (2005): Die Familiengründung von Männern im Partnerschaftskontext. 
In: Tölke, Angelika/Hank, Karsten (Hg.): Männer – Das vernachlässigte Geschlecht in der Familienforschung, in: Zeitschrift für Familienforschung (ZfF), Sonderheft 4, Wiesbaden: VS-Verlag

Tölke, Angelika/Hank, Karsten (Hg.): Männer – Das vernachlässigte Geschlecht in der Familienforschung. In: Zeitschrift für Familienforschung (ZfF), Sonderheft 4, Wiesbaden: VS-Verlag, S. 178-197

Thomson, Elizabeth/Hoem, Jan M. (1998): Couple Childbearing Plans and Births in Sweden. In: Demography, 35. Jg. H. 3, S. 315-322

Tölke, Angelika/Diewald, Martin (2003): Berufsbiografische Unsicherheiten und der Übergang zur Elternschaft bei Männern. In: Bien, Walter/Marbach, Jan H. (Hg.): Partnerschaft und Familiengründung. Ergebnisse der dritten Welle des Familien-Survey. Opladen: Leske und Budrich, S. 349-384

Tölke, Angelika/Hank, Karsten (Hg.) (2005): Männer – das „vernachlässigte“ Geschlecht in der Familienforschung. Zeitschrift für Familienforschung (ZfF), Sonderheft 4, VS-Verlag: Wiesbaden

Robert-Bosch-Stiftung (2005): Starke Familie. Bericht der Kommission „Familie und demografischer Wandel“. Robert-Bosch-Stiftung, Stuttgart

Schmitt, Christian (2005): Kinderlosigkeit bei Männern – Geschlechtsspezifische Determinanten ausbleibender Elternschaft. In: Tölke, Angelika/Hank, Karsten (Hg.): Männer – Das vernachlässigte Geschlecht in der Familienforschung. In: Zeitschrift für Familienforschung (ZfF), Sonderheft 4, Wiesbaden: VS-Verlag, S. 73-99

Simm, Regina/Kaufmann, Franz-Xaver/Strohmeier, Peter (1987): Partnerschaftsdynamik und Familienentwicklung: die interne Dynamik von Partner- und Familiensystemen und ihre strukturellen Bedingungen und Folgen. Bericht aus dem Forschungsprojekt „Generatives Verhalten in Nordrhein-Westfalen“. Institut für Bevölkerungsforschung und Sozialpolitik, IBS. IBS-Materialien Nr. 25, Bielefeld