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Promotionsprojekt Dr. Mathias Stuhr (Universität Leipzig)

Kontakt: mathiasstuhr@yahoo.de

Mythos New Economy. Die Arbeit an der Geschichte der Informationsgesellschaft

Die New Economy spielt trotz oder gerade wegen ihres raschen wirt­schaft­lichen Aufstieges und Niederganges, der schon kurz nach dem Höhenflug der weltweiten Aktienkurse im Frühjahr 2000 einsetzte, als Studienobjekt für die Zukunft der Arbeitsgesellschaft, der Arbeit selbst und der (arbeitenden) Individuen, eine paradigmatische Rolle. In der kurzen Zeit ihrer Blüte um die Jahrhundertwende wurden bis dato für allgemein gültig gehaltene ökonomische Grundsätze zumindest scheinbar außer Kraft gesetzt und flexible Arbeitsmodelle in der Realität erprobt, die heute in weiten Teilen der Arbeitswelt, nicht nur in den Branchen der Informations- und Kommu­ni­kations­tech­nologien (ITK), sondern auch in der Dienst­leistungs­welt, bereits zu allgemeinen Anforderungen geworden sind. Der Wieder­aufstieg einer „neuen“ Netzwirtschaft Mitte der 2000er, der unter dem Schlagwort „Web 2.0“ vor allem die neuen kommunikativen (und ökono­mischen) Möglichkeiten des Internets betont, und die so etwas wie eine „neue“ New Economy darstellt, macht dieses „alte“ Thema noch aktueller und ruft den Mythos New Economy wieder verstärkt ins öffentliche Bewusstsein. Der New Economy gelang es in sehr kurzer Zeit eine neue zugespitzte Form einer Disposition, eine neuen Subjektivität zu etablieren, die die Herausforderungen und Zumutungen der neuen Arbeitswelt mit Aspekten der Unterhaltung und der Freude verband, verbinden musste. Möglich wurde dieses durch eine aufgeregte Medien­öffent­lich­keit, die die Mythen und Ideologien rund um die New Economy oft und gern transportierte. Das „Start-up“ war das Unternehmensmodell der Stunde und den jungen Unternehmern, die sich selbst „Gründer“ nannten, gelang es eine gut gelaunte „Produktionsfamilie“ aufzubauen, eine, die die Mitarbeiter auch objektive Verschlechterungen wie ein Weniger an Sicherheit, Freizeit und Bezahlung als subjektive Gewinne, als ein Mehr an Gemein­schaft und Flexibilität, erfahren ließ bzw. dieses eindringlich „bedeutete“. Die New Economy wird nicht aus wirtschafts- oder arbeitssoziologischer Perspektive betrachtet, sondern als zum Mythos geronnenes populär­kulturelles Narrativ beschrieben, welches als Ganzes die Funktion hat die Attraktivität des modernen flexiblen Kapitalismus, welchen wir zurzeit „Informationsgesellschaft“ nennen, zu erhöhen.

Publikationen

  • Mathias Stuhr: Mythos New Economy. Die Arbeit an der Geschichte der Informationsgesellschaft, Bielefeld 2010. Link